Projekt-Archiv
„Ich bedauere, daß der Katholikentag ein so trauriges Ende nimmt.“
Kardinal Faulhabers Tagebücher aus den Jahren 1920, 1921 und 1922 gehen online
1920
Trotz des Endes der Räteherrschaft in Bayern im Frühjahr 1919 bestand die Furcht vor einer neuerlichen Revolution von links fort. Als ordnungspolitischer Garant gegen „Chaos und Bolschewismus“ galten 1920 auch Erzbischof Faulhaber die aus den Freikorps und Bürgerwehren hervorgegangenen Einwohnerwehren, weswegen er deren Entwaffnung gemäß den Friedensforderungen der Alliierten missbilligte. Zwar lehnte er eine offizielle Parteinahme des Klerus zugunsten der Einwohnerwehren ab. Doch dem Engagement Geistlicher in den paramilitärischen Organisationen begegnete er durchaus wohlwollend, gehe es doch um „Ordnung“.
1921
Kurz vor seiner Abreise zum Konsistorium in Rom, auf dem er am 7. März 1921 in den Kardinalsstand erhoben werden sollte, traf Michael von Faulhaber ein schwerer persönlicher Schicksalsschlag: der Tod seines Bruders Robert.
Anlässlich der Beisetzung des bayerischen Königspaares am 5. November 1921 im Münchner Dom brachte Kardinal Faulhaber einmal mehr seine Ablehnung des neuen politischen Systems in seiner Trauerrede zum Ausdruck: „Könige von Volkes Gnade sind keine Gnade für das Volk, und wo das Volk sein eigener König ist, wird es über kurz oder lang auch sein eigener Totengräber.“ Noch am Vorabend hatte er bei der Ankunft der Särge von Ludwig III. und Marie Therese am Münchner Hauptbahnhof einen Vergleich mit dem Verhalten der alten monarchischen Eliten aus Adel, Militär und Verwaltung gegenüber dem König während der Novemberrevolution 1918 gezogen: „Damals hat keiner die Hand für ihn gerührt und jetzt stehen sie da mit Pickelhauben und Orden und legen die Hand an den Helm und ziehen die Degen.“
1922
„120 000 Menschen unter blauem Himmel“ zum Gottesdienst am Königsplatz, so erfreulich verlief der Auftakt zur Generalversammlung der Katholiken Deutschlands vom 27. bis zum 30. August 1922 in München, wie Michael von Faulhaber in seinem Tagebuch notierte. Doch mit seiner in Teilen hochpolitischen Eröffnungsansprache, in der er die Revolution vom November 1918, die auf dem Weg zur Republik von Weimar nicht hinweggedacht werden konnte, als „Meineid und Hochverrat“ bezeichnete, provozierte der Erzbischof den Eklat, den er wenig später beklagte. Denn der Präsident des Katholikentags, der Zentrumspolitiker und Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer, nahm den Fehdehandschuh auf und Republik sowie „deutsche Verfassung in Schutz“. Obwohl Faulhaber die Brisanz seiner Ausführungen erkannte, „denn in jenen Tagen kriselte es sehr bedenklich für einen Rechtsputsch“, mäßigte er seine Worte nicht, sah sich aber nicht in der Mitverantwortung, „wenn ein Putsch zeitlich mit dem Katholikentag zusammenfallen sollte“.
→ Zu den Tagebucheinträgen des Jahres 1920
„Die erste Kugel für Kahr, die zweite Kugel für Faulhaber.“
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1923 geht online
Der Einmarsch der Franzosen und Belgier an Rhein und Ruhr, der Aufruf der Reichsregierung zum „passiven Widerstand“ gegen die Okkupanten, die sich zur Hyperinflation steigernde Geldentwertung, separatistische Bestrebungen im Rheinland und der bayerischen Pfalz, Putschversuche der extremen Linken und Rechten, die zunehmenden Spannungen zwischen dem Deutschen Reich auf der einen und Bayern sowie Sachsen und Thüringen auf der anderen Seite, deuteten damals auf einen völligen Zusammenbruch Deutschlands hin. Die genannten Ereignisse notierte Faulhaber in seinem Tagebuch, wobei sein Hauptaugenmerk auf den Entwicklungen in Bayern lag.
Bayern: Auf dem Weg zum Hitler-Ludendorff-Putsch
Die „öffentliche Lage sehr ernst. Am Bahnhof erfahren wir, wegen des Parteitags Adolf Hitler wurde der Ausnahmezustand verhängt, in der Stadt große Aufregung“ notierte Michael von Faulhaber Ende Januar 1923. Zwar erkannte der Erzbischof schon früh das „Unchristliche“ an der NS-Bewegung. Aber Überlegungen wie dem Nationalsozialismus zu begegnen sei, stellte er noch zurück. Bald nach der Rückkehr von einer großen USA-Reise, die der Spendensammlung zugunsten der Not leidenden deutschen Bevölkerung gedient hatte, warnte ihn der Jesuitenpater Rupert Mayer: „Die nationalsozialistische Bewegung geht immer weiter: Haß gegen das Alte Testament, Haß gegen andere Völker, eine unerhörte Sprache gegen den Papst“. Doch Kronprinz Rupprecht von Bayern riet Faulhaber, die „katholischen Geistlichen sollten nicht gegen den Nationalsozialismus auftreten.“
Im Herbst spitzte sich die Lage zu. Gustav Ritter von Kahr, frisch ernannter bayerischer Generalstaatskommissar, nahm Anfang November mangels Unterstützung durch die Reichswehrführung in Berlin Abstand von seinen eigenen Diktaturplänen und ging auf Distanz zu Adolf Hitler, dessen Putschabsichten ihm bekannt waren und den er lange Zeit gehofft hatte, in seine Pläne einbinden zu können. Am 4. November trat Erzbischof Faulhaber aus den Kulissen hervor und betonte in seiner Allerseelenpredigt: „Mit blindem Haß gegen Juden und Katholiken … werden keine Wunden geheilt.“ Und auch in seinem in der Presse veröffentlichten Schreiben an Reichskanzler Gustav Stresemann vom 6. November hob er hervor, dass es an der Zeit sei, „den Haß“ abzubauen, „der blindwütig über unsere israelitischen Mitbürger oder über andere Volksgruppen … den Stab bricht.“ Faulhabers Stellungnahmen zielten auf den Radikalantisemitismus der Nationalsozialisten und Völkischen (und deren Katholikenhass) ab, durften aber ebenso als deutliche Kritik an der Ausweisungspolitik des Generalstaatskommissars gegenüber den sogenannten Ostjuden verstanden werden. Dabei handelte es sich um Jüdinnen und Juden aus osteuropäischen Ländern, die verstärkt seit dem Ersten Weltkrieg nach Deutschland eingewandert waren – z.T. auf der Flucht vor Pogromen in ihren Heimatländern, vielfach aber auch aus materieller Not. Außerdem sprach er sich gegen jede gewaltsame Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung aus. Seine Aussagen brachten ihm in nationalsozialistischen und völkischen Kreisen den Ruf eines „Judenkardinals“ ein. Deren Hass steigerte sich noch, als das – unzutreffende – Gerücht aufkam, der Erzbischof sei einer der Hauptverantwortlichen für das Scheitern des gegen die Reichsregierung und damit gegen die junge Republik und Demokratie von Weimar gerichteten Hitler-Ludendorff-Putsches vom 8./9. November, dessen Ziel die Errichtung einer reichsweiten Diktatur der extremen Rechten gewesen war. Am 11. November schrieb Faulhaber nieder: „Gestern in der Universität Versammlung gegen mich, dann Zug durch die Stadt und Schreie: Nieder mit Kahr, nieder mit Faulhaber“. Stoisch vermerkte er am 14. November: „Im Keller ein paar Fenster eingeworfen. Natürlich Schmähbriefe.“ Am selben Tag informierte ihn der Franziskanerpater Heribert Holzapfel, dass im Odeon ein Redner gefordert habe: „Die erste Kugel für Kahr, die zweite Kugel für Faulhaber.“ Trotz vielfacher Bitten, er möge wegen der persönlichen Bedrohungslage München zeitweilig verlassen, verblieb Erzbischof Faulhaber in diesen kritischen Tagen in der „Hauptstadt der Bewegung“.
„Im ganzen Reich parteipolitische Zusammenstöße, blutiger Bürgerkrieg im Anzug.“
Kardinal Faulhabers Tagebücher aus den Jahren 1930, 1931 und 1932 gehen online.
Seit Jahrzehnten ist in der historischen und kirchenhistorischen Forschung bekannt, dass Erzbischof Faulhaber den Nationalsozialismus als „mit der christlichen Weltanschauung nicht in Einklang zu bringen“ bezeichnete und ihn eine „Häresie“ nannte. Der Inhalt seiner Tagebücher aus den Jahren 1930 bis 1932 untermauert diesen Befund. Obwohl er ein starkes Anwachsen der extremen Rechten bei den Reichstagswahlen vom 14. September 1930 befürchtet hatte, überraschte ihn doch das Ausmaß des Erfolgs der NSDAP, die landesweit einen Stimmenanteil von 18,3 % der Wählerstimmen erhielt und in Bayern mit 17,9 % nur leicht unter dem reichsweiten Durchschnitt lag. Die Erzdiözese reagierte mit einer Aufklärungskampagne. Am 10. November 1930 notierte Faulhaber zufrieden: „Abends zehn große Versammlungen ‚Unsere Weltanschauung im Kampf der Geister‘ gegen den Nationalsozialismus. Alle gut besucht und voll Begeisterung.“ Eine Absolution von Mitläufern lehnte er ab. Für Verhandlungen mit den Nationalsozialisten sah der Oberhirte keinen Spielraum.
Auch die KPD hatte bei den Reichstagswahlen einen – vergleichsweise moderaten – Stimmenzuwachs erzielt. Weiterhin betrachtete der Kardinal den Kommunismus aber als erstrangige Bedrohung für den Katholizismus und die gesamte Gesellschaft. Angesichts der radikal christentums- und kirchenfeindlichen Politik der Bolschewiki seit 1918 in Russland (ab 1922 in der Sowjetunion) und der Informationen, die er über die dortigen „Greuel“ erhielt, war dies wenig erstaunlich. Mit Predigten und Protestveranstaltungen traten Faulhaber und der Klerus dem Bolschewismus entgegen. Immer wieder stand der Erzbischof unter Polizeischutz, weil ihn sogar Morddrohungen erreichten.
Die politische Entwicklung bis in das Jahr 1932 hinein stimmte Faulhaber düster, er bereitete sich auf „die Nazi-Revolution“ vor und prophezeite, dass „die Gewalt, der Terror kommen“ werde. Als Faulhaber von den Gerüchten erfuhr, dass der bayerische Kronprinz Rupprecht „als König sterben“ wolle, notierte er: „Und jetzt mit dem Naziputsch zugleich monarchistischer Putsch zu fürchten“ (Tagebucheintrag vom 11. April 1932). Besuchern, die in einer monarchischen Restauration eine reale Alternative zu den politischen Zuständen erblicken wollten, bescheinigte Faulhaber, „Illusionen“ anzuhängen. Enttäuscht hatte er sich bereits von der BVP abgewandt, sie gar als „Schlafwagengesellschaft“ verspottet. An den Reichstagswahlen vom 6. November 1932 nahm er nicht teil.
Kampf gegen den kulturellen und sittlichen Verfall
Herausgefordert fühlten sich Erzbischof und Klerus besonders durch die Bibelforscher, die sich ab 1931 Zeugen Jehovas nennen sollten, die „[f]urchtbaren Haß gegen Geistliche“ verbreiteten und in einer Weise hetzten, „dass Unruhen entstehen müssen“, weshalb ein „Verbot“ zu fordern sei (Tagebucheintrag vom 26. November 1930). Gleichfalls klärte man die Gläubigen über die Ziele der anti-kirchlichen und religionsfeindlichen Freidenkerbewegung auf. Seelisch erschüttert zeigte sich der Erzbischof über die Zeitungsnachricht, dass der „Domorganist die Orgel im Krematorium“ spiele – „mit Wissen des Dompfarrers und mit Wissen des Ordinariats“ (Tagebucheintrag vom 21. Februar 1930), weil die Feuerbestattung der katholischen Glaubenslehre widersprach. Über „die Unnatur des Frauenturnens“ sprach Faulhaber zu Beginn des Kreisfestes der Deutschen Jugendkraft im Sommer 1931 in München.
→ Zu den Tagebucheinträgen des Jahres 1930
„Heute alles nervös, weil das ruchlose Verbrechen, das Attentat auf den Führer bekannt wurde.“
Kardinal Faulhabers Tagebücher aus den Jahren 1942, 1943 und 1944 gehen online.
Vernichtungspolitik
Die Deportation der Münchner Juden, die im November 1941 begonnen hatte, erreicht im Sommer 1942 ihren schrecklichen Höhepunkt. Unter den Augen der Bevölkerung rollt Transport auf Transport gen Osten – fast ausnahmslos in das Konzentrationslager Theresienstadt. Verzweifelte Angehörige wenden sich mit der Frage, „ob gar nichts zu machen sei“ an Erzbischof Faulhaber, der knapp erwidert: „leider nicht“. Der Bitte eines Diplomaten, er solle „gegen die furchtbaren Judenmorde öffentlich auftreten“, entspricht er nicht. Stattdessen hält ihm der Kardinal am 28. Januar 1943 entgegen, dass man keinen Anlass bieten dürfe, sich dem „Vorwurf vom Dolchstoß“ auszusetzen, wie er nach der Kriegsniederlage 1918 von der politischen Rechten gegen die politische Linke erhoben worden war.
Staatsstreich
Widerstand gegen das Regime lehnt Faulhaber ab. Über den missglückten Anschlag Claus Schenk Graf von Stauffenbergs vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler notiert er am nächsten Tag: „Heute alles nervös, weil das ruchlose Verbrechen, das Attentat auf den Führer bekannt wurde.“ Doch der empörte Erzbischof von München und Freising war im Frühjahr 1943 von Carl Goerdeler aufgesucht worden, was aber keinen Niederschlag im Tagebuch fand. Am 21. August 1944 musste sich Faulhaber eine mehrstündige Vernehmung durch einen Mitarbeiter der Gestapo, der der Besuch Goerdelers bekannt geworden war, im Erzbischöflichen Palais gefallen lassen, wie das Tagebuch belegt. Den Vorwurf, er habe Verbindungen zu den Verschwörern des 20. Juli gehabt, weist er als ehrenrührig zurück. Den Besuch Goerdelers gesteht er zwar ein, weicht weitergehenden Fragen des Gestapo-Beamten jedoch meist aus, wie einem von ihm noch am selben Tag angefertigtem Gesprächsprotokoll über seine Vernehmung zu entnehmen ist. Außerdem hatte der Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke im Jahr 1942 den Kontakt zu Faulhaber gesucht, wie der Tagebucheintrag vom 16. Mai 1942 und ein kryptisches Gesprächsprotokoll vom 15. Oktober 1942 zeigen.
Krieg
Exemplarisch geben die Tagebücher der Jahre 1942 bis 1944 Auskunft über den Kriegsalltag der deutschen Bevölkerung. Das Jahr 1942 verläuft für die überwiegende Mehrheit der Einwohner Münchens vergleichsweise ruhig, gestört nur durch vereinzelte Fliegerangriffe. Gedanken über eine mögliche Kriegsniederlage weist der Erzbischof zurück. Einen Besucher belehrt er am 10. Januar 1942 mit den Worten: „Man muss um Schutz für das Vaterland bitten nach dem Willen Gottes, Niederlage darf man nach dem Vierten Gebot nicht wünschen … .“ Bedrückende Nachrichten erreichen Faulhaber aber durch Angehörige von Soldaten. Beispielsweise erzählt ihm eine Mutter, dass ihr Sohn „von der Ostfront wie einen Abschiedsbrief geschrieben“ habe. Im Laufe des Jahres 1943 nehmen die Luftangriffe auf München und Umgebung zu und bewirken beträchtliche Schäden. Doch erst im Jahr 1944 vergeht kaum ein Tag ohne Luftalarm für die schwer getroffene Landeshauptstadt. So notiert Faulhaber am 18. März: „München, Fliegerüberfall … über 300 Tote. Viele Verwüstungen.“ Am 25. April heißt es im Tagebuch: „1.00 Uhr Sirene zum Alarm für den furchtbaren Überfall, in der Hauptsache Brandbomben auf München. In drei Wellen. (…) Ordinariat ausgebrannt.“ Und am 22. November hält der Erzbischof fest: „Der Unglückstag für den Dom, schwer beschädigt, und für Sankt Michael, auch für Damenstiftskirche und Herzogspitalkirche.“ Den gefährlichsten Teil der Aufräumarbeiten nach Bombenangriffen mussten Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau übernehmen. Schon am 21. Juli hatte Faulhaber in seinem Tagebuch vermerkt: „Heute endlich der Blindgänger in der Promenadestraße beseitigt, das heißt entleert. Dachauer lösten einander ab.“ Resigniert vertraut er am 25. Dezember seinem Tagebuch an: „Christtag unter Trümmern und Bomben.“
→ Zu den Tagebucheinträgen des Jahres 1942
Beitrag zum Onlinegang der Tagebuch-Jahrgänge 1940 und 1941 erschienen
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebuch-Jahrgänge 1940 und 1941 am 9. November 2021 setzte sich der Projektmitarbeiter Moritz Fischer mit dem Verhalten Kardinal Faulhabers angesichts der nationalsozialistischen Medizinverbrechen auseinander. Der Beitrag ist nun in der Zeitschrift „zur debatte“ der Katholischen Akademie erschienen. Das vollständige Heft können Sie hier downloaden oder hier als Druckfassung bestellen.
Moritz Fischer: Sozialdarwinismus als Klammer? Kardinal Faulhaber, die katholische Kirche und die nationalsozialistischen Medizinverbrechen zwischen 1933 bis 1945 in Deutschland, in: zur debatte. Themen der Katholischen Akademie in Bayern 52 (2022), Heft 1, S. 73-78. Link zum Artikel
„Es muß alles auf den Krieg eingestellt werden“
Kardinal Faulhabers Tagebücher aus den Jahren 1940 und 1941 gehen online
Nur wenige Monate nach dem Überfall auf Polen erreicht der Krieg München. Die Stimmung der Bevölkerung ist gedrückt: „Carnevalsdienstag, aber nichts davon zu bemerken“, verrät der Tagebucheintrag vom 6. Februar 1940. Verdunkelung wird angeordnet. Der erste Bombenangriff auf München am 4. Juni 1940 verursacht nur geringe Schäden, doch die „Trichter in der Stadt haben gewaltigen Eindruck gemacht“, wie der Erzbischof wenig später notiert.
Unbeirrt setzt der NS-Staat seinen Kampf gegen die katholische Kirche fort. Die Gestapo nimmt unbotmäßige Priester in Haft oder interniert sie in Konzentrationslagern. Die Nationalsozialisten beschlagnahmen Klöster und andere Ordenseinrichtungen und wandeln sie in Unterkünfte für sogenannte volksdeutsche Umsiedler oder Lazarette um. Der Religionsunterricht in den Berufsschulen wird verboten, Kreuze erneut abgehängt, der Fronleichnamstag 1940 reichsgesetzlich von Donnerstag auf Sonntag verlegt und Allerheiligen ein Jahr später als Feiertag abgeschafft. Gegen diese Maßnahmen wehren sich die deutschen Bischöfe in Eingaben an die Reichsstellen und wenden sich in Hirtenworten an ihre Gemeinden. Auf öffentliche Kritik reagieren die Machthaber dünnhäutig. Generalvikar Buchwieser wird Anfang Februar 1940 von der Polizei bedeutet: „Drei Hirtenbriefe nacheinander … unerträglich. Wenn wieder einmal, dann mit schärfsten Mitteln ohne Ansehen der Person. Ist Befehl von Berlin aus. Es muß alles auf den Krieg eingestellt werden.“ Über den Kriegsverlauf im Osten und Westen ist Faulhaber durch zurückkehrende Feldgeistliche, Soldaten auf Fronturlaub und vornehmlich Besucherinnen, deren Verwandte im Feld stehen, orientiert.
Vernichtungspolitik
Zutiefst beunruhigen nicht nur Faulhaber die sich verdichtenden Nachrichten, dass die Patienten der Heil- und Pflegeanstalten in Tötungsanstalten deportiert und dort ermordet werden. In einer Eingabe an Reichsjustizminister Gürtner vom 6. November 1940 attackiert Faulhaber die „Euthanasie“ als unvereinbar mit dem „christlichen Sittenkodex“ und fordert deren sofortige Beendigung. Doch erst in Reaktion auf die Predigt Bischof von Galens am 3. August 1941 stellen die Nationalsozialisten die zentral organisierte Mordaktion „T4“ ein. Der Massenmord erfolgt nun direkt in den Heil- und Pflegeanstalten: „Es wird nicht mehr abtransportiert, sondern im Hause selber gemacht“, eröffnet der Pfarrvikar der Anstalt Eglfing-Haar Faulhaber am 15. November 1941.
Der Beginn des nächsten nationalsozialistischen Vernichtungsvorhabens offenbart sich dem Erzbischof in München nur Tage zuvor. Am 11. November hält er im Tagebuch fest: „Der Abtransport von 1.200 Juden heute.“ Zwei Tage später heißt es dort: „Das große Gespräch dieser Tage der Abtransport von 1.000 Juden nach Polen bei Nacht und bei Tag. Ich wende mich in dieser Sache an den Vorsitzenden der Bischofskonferenz.“ Faulhaber regt daraufhin beim Vorsitzenden der Fuldaer Bischofskonferenz eine Intervention bei den staatlichen Stellen an. Doch eine gemeinsame Reaktion der katholischen Bischöfe kommt nicht zustande.
Abendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern
Dienstag, 9. November 2021, 19.00 Uhr„Es wird nicht mehr abtransportiert, sondern im Hause selber gemacht.“ Michael Kardinal von Faulhaber - Die Tagebücher 1940 und 1941 gehen online
1940 trieb Kardinal Faulhaber eine „neue Sorge“ wie kaum eine andere um: die „Euthanasie der Geisteskranken“. Etwa 200.000 kranke, behinderte und pflegebedürftige Menschen wurden zwischen 1939 und 1945 von den Nationalsozialisten ermordet. Die Tötungen fanden nicht nur fern im Osten, sondern vor den Toren Münchens in der Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar statt. Darunter waren viele Männer, Frauen und Kinder aus katholischen Anstalten wie Schönbrunn.
Die an diesem Abend vorgestellten Tagebuchjahrgänge geben neue Einblicke in das nationalsozialistische Mordprogramm. Ein Vortrag sowie eine sich anschließende Podiumsdiskussion widmen sich daher ausführlich dem Umgang Faulhabers und der katholischen Kirche mit den Medizinverbrechen im Nationalsozialismus, die 1934 mit der Zwangssterilisation begannen und 1945 mit vor Hunger sterbenden Patienten endeten.
Programm:Prof. Dr. Andreas Wirsching
Moritz Fischer, M.A.
Prof. Dr. Andreas Wirsching (Moderation); Prof. Dr. Michael Schwartz; Moritz Fischer, M.A.
Weitere Informationen, das Anmeldeformular sowie wichtige Hinweise zur Veranstaltung, inklusive der geltenden Abstands- und Hygieneregeln, finden Sie auf der Website der Katholischen Akademie in Bayern .
Beiträge zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1938 erschienen
Anlässlich der Veröffentlichung des Tagebuch-Jahrgangs 1938 am 8. Oktober 2020 referierten der Projektleiter, Prof. Dr. Andreas Wirsching, sowie der Projektmitarbeiter Moritz Fischer zu ausgewählten Themen des neuen Jahrgangs. Andreas Wirsching setzte sich in seinem Vortrag mit dem Verhältnis Kardinal Faulhabers zu den Juden auseinander, während Moritz Fischer das Jahr der Reichspogromnacht und des sogenannten Anschlusses anhand der Tagebucheinträge rekonstruierte und einordnete. Die Beiträge sind nun in der Zeitschrift „zur debatte“ der Katholischen Akademie erschienen. Das vollständige Heft können Sie hier downloaden oder hier als Druckfassung bestellen.
Folgende Beiträge sind dort zu finden:
- Stephan Höpfinger / Robert Walser: Tagebücher online. Eine Einführung (S. 13-14).
- Andreas Wirsching: Kardinal Michael von Faulhaber und die Juden (S. 15-19).
- Moritz Fischer: „Vor meinen Augen liegt das Jahr schwarz wie die Nacht und grausig wie das Höllental“. Kardinal Faulhaber und das Jahr 1938 (S. 57-60).
Dokumentation zum Besuch Michael Kardinal von Faulhabers bei Adolf Hitler auf dem Obersalzberg
Aufsatz von Philipp Gahn in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte erschienen – bis Oktober 2021 im Free Access .
In der neuesten Ausgabe der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte (VfZ) ist eine Dokumentation des Projektmitarbeiters Philipp Gahn zu Kardinal Faulhabers Besuch auf dem Obersalzberg im November 1936 erschienen. Unter dem Titel „Widersprüche eines Modus Vivendi“ beleuchtet Gahn die Zeit im Vorfeld des Empfangs bis zur Verlesung der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im März 1937. Der Theologe macht auf die Aporie aufmerksam, in die sich Faulhaber durch seine Suche nach einem Modus Vivendi manövriert hatte, und konstatiert: „Im Zwiespalt verharrend blieb er – obwohl Hauptakteur – unentschlossen.“
Die Dokumentation beinhaltet diverse Dokumente: Erstens rekonstruiert Gahn die verschiedenen Fassungen des Berichts Faulhabers über seine Besprechung, die er unter anderem an Papst Pius XI. und seine deutschen Bischofskollegen schickte. Zweitens kommentiert er das hier bereits veröffentlichte Konzept über das Gespräch mit Hitler und macht die Stellen deutlich, die im späteren Bericht weggelassen wurden. Des Weiteren werden ein Referat Faulhabers über den Besuch, eine Pro- und Kontraliste zu den Handlungsoptionen sowie zwei Briefentwürfe an Hitler präsentiert.
Auf der Website der VfZ sind mehre Zusatzmaterialien veröffentlicht, unter anderem eine Zusammenstellung von zeitgenössischen Presseberichten über Faulhabers Besuch auf dem Obersalzberg.
Bis zum Erscheinen der Oktoberausgabe der VfZ ist der Aufsatz im Free Access auf der Website des Verlags abrufbar.
„Die Straßen leer, die Kirchen leer – wie gestern die Wahllokale.“
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1949 geht online
Das Tagebuch Jahres 1949 ist ein erstrangiges Zeugnis der Notlage der frühen Nachkriegsjahre in Bayern. Die fortbestehenden Versorgungsengpässe bei Nahrungsmitteln lindert die katholische Kirche u.a. durch die Verteilung von Lebensmittelpaketen, die zu einem beträchtlichen Teil aus dem Ausland stammen. Dem anhaltenden Mangel an Wohnraum, der vorrangig den massiven Kriegsschäden und der Aufnahme von ca. zwei Millionen Heimatvertriebenen seit 1946 geschuldet ist, begegnen die Diözesen mit der Gründung von Siedlungswerken. Gleichzeitig leiden ländliche Diözesen wie Passau und Eichstätt an finanzieller Auszehrung.
Neben diesen überwiegend existentiellen Alltagssorgen treten die überregionalen politischen Entwicklungen im Tagebuch häufig zurück. Das Grundgesetz erwähnt Faulhaber zweimal beiläufig. Über ein Zusammentreffen mit dem frisch gewählten Bundespräsidenten Theodor Heuss, der am 6. Oktober München einen offiziellen Besuch abstattet, notiert der Tagebuchschreiber zufrieden: „Im Goldenen Buch der Stadt hat er sich heute eingetragen nach meinem Namen.“ Dagegen misst der Münchner Oberhirte den Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag am 14. August Bedeutung über den parteipolitischen Bereich hinaus bei. Zunächst gelingt es ihm, den Geistlichen Rat Emil Muhler von einer Kandidatur für die CSU abzuhalten. Denn einer solchen Absicht steht das Reichskonkordat von 1933 entgegen, an dem die katholische Kirche festhalten möchte, das aber die Mitgliedschaft in politischen Parteien und die Tätigkeit für solche Parteien für Geistliche untersagt. Außerdem gilt für die katholische Kirche, eine Mehrheit der linken Parteien bei den Bundestagswahlen zu verhindern, was durch die Mobilisierung der katholischen Wählerschaft erreicht werden soll. Den Kampf um die Bekenntnisschule sieht der Erzbischof trotz deren Verankerung in der Bayerischen Verfassung von 1946 noch nicht als entschieden an: „Elternrecht oder Teufelsrecht“ vertraut er am 17. Juni seinem Tagebuch an. In ihrem Hirtenwort vom 29. Juli ermahnen die bayerischen Bischöfe ihre Diözesanen deshalb zur Teilnahme an der Bundestagwahl: „Wahlrecht bedeutet Wahlpflicht!“ Kaum verklausuliert rufen sie zur Wahl von CSU oder Bayernpartei auf, indem sie das „christliche Gewissen“ zum einzig relevanten Maßstab für eine Wahlentscheidung erheben. Aber am Wahltag befällt Faulhaber eine düstere Vorahnung: „Die Straßen sind leer, es wird sich ungünstig an der Wahlbeteiligung auswirken.“
Doch gibt das Tagebuch auch positive Nachrichten preis. So wird Michael von Faulhaber anlässlich seines 80. Geburtstags am 5. März das Ehrenbürgerecht der Stadt München vom Stadtrat verliehen. Der im Krieg schwer beschädigte Liebfrauendom verfügt im Juli endlich wieder über ein Dach. Am 18. September öffnet das Oktoberfest erstmals seit 1938 wieder seine Pforten und wenige Tage später feiern die Mitbewohner des Erzbischöflichen Palais gemeinsam mit Faulhaber dessen Namenstag mit „Wiesenbretzl und Wiesnbier“. Schließlich gründet der Erzbischof im Herbst den sogenannten Apostelkreis München. In diesem exklusiven Vortrags- und Diskussionszirkel beraten katholische Honoratioren verschiedener Professionen über Probleme der Gegenwart vom katholischen Standpunkt aus.
„Einmarsch in Polen“
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1939 geht online
Die Attacke des nationalsozialistischen Mobs auf das Erzbischöfliche Palais in der Nacht vom 11. auf den 12. November 1938 wirft ihre Schatten auch auf das neue Jahr. Die Schutzmaßnahmen am Gebäude werden auf Anweisung Faulhabers weiter verstärkt. Am 3. und 4. Januar erfolgt der Einbau zentnerschwerer Eisentüren auf dem Balkon. Wenige Tage nach dem Tod von Papst Pius XI. am 10. Februar reist der Kardinal zum Konklave nach Rom und kehrt erst Mitte März nach München zurück. Über das Jahr hinweg plagen den inzwischen siebzigjährigen Faulhaber massive gesundheitliche Probleme, die breiten Niederschlag im Tagebuch finden und zeitweise eine beinahe tägliche ärztliche Betreuung erfordern. Erst am 3. November kann er „nach etwa fünf Monaten“ wieder „eine kirchliche Funktion außerhalb des Hauses“ ausüben, wie es im Tagebuch heißt.
Aufschlussreich aber ist, worüber sich der Erzbischof in seinem Tagebuch 1939 ausschweigt. Hatte er im Herbst 1938 erleichtert die Lösung der sogenannten Sudetenkrise begrüßt und ein „Friedenstelegramm“ der deutschen Kardinäle an Adolf Hitler angeregt, um ihn zu seiner „Friedenstat“ zu beglückwünschen, so wird die sogenannte Zerschlagung der Rest-Tschechei im März, ein Bruch des Münchner Abkommens, im Tagebuch 1939 nicht erwähnt. Noch mehr erstaunt, dass der weltweit aufsehenerregende deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt vom 23. August übergangen wird. Hatte doch Hitler die katholische Kirche immer wieder - und den Erzbischof Faulhaber persönlich am 4. November 1936 auf dem Obersalzberg - zum entschlossenen Kampf gegen den gemeinsamen ideologischen Todfeind, den Bolschewismus, aufgerufen. Vor diesem Hintergrund kann Faulhabers lapidarer Eintrag während seines Aufenthaltes im Ketteler-Haus in Bad Nauheim vom 24. August bis zum 8. September kaum noch überraschen: „In dieser Zeit Einmarsch in Polen“. Ob der Erzbischof dem neuerlichen „Friedensappell“ Hitlers vom 6. Oktober an die Adresse Londons noch Glauben schenkt, erschließt sich aus dem einschlägigen Eintrag nicht eindeutig. Doch notiert er: „[D]ie große Rede des Führers über Polen und den Frieden.“
Dem fehlgeschlagenen Attentat auf Adolf Hitler im Bürgerbräukeller, das acht Todesopfer und zahlreiche Verletzte forderte, widmet Faulhaber am 8. und 9. November dagegen jeweils einen kompletten Tagebucheintrag. Mit Telegramm vom 9. November an Hitler verurteilt der Erzbischof das „verabscheuungswürdige Verbrechen“ und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass Gott auch in Zukunft „seinen schützenden Arm“ über ihn halten werde.
Presseecho zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1938
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebucheinträge Faulhabers aus dem Jahr 1938 im Rahmen einer Abendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern am 8. Oktober 2020 ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Christoph Renzikowski, Kardinal Faulhaber – ein "Freund der Juden"? (10.10.2020). katholisch.de. https://www.katholisch.de/artikel/27165-kardinal-faulhaber-ein-freund-der-juden (Letzter Zugriff am 30.11.2020).
- Christoph Renzikowski, Kardinal Faulhaber – ein "Freund der Juden"? (10.10.2020). domradio.de. https://www.domradio.de/themen/judentum/2020-10-10/historiker-sieht-eine-doppelte-moral-bei-dem-kirchenmann (Letzter Zugriff am 30.11.2020).
- Dr. Dirk Walter: Die düstere Vorahnung des Kardinals. In: Münchner Merkur, 10./11.10.2020, Nr. 234, S. 10.
- Dr. Dirk Walter: Die dunkle Ahnung des Kardinals. In: tz, 10./11.10.2020, S. 14.
- Düstere Vorahnungen. Faulhaber-Tagebuch, 1939: „Grausig wie Höllental“. In: Zeitungen der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, 12.10.2020.
Der Vortrag von Prof. Dr. Andreas Wirsching über Kardinal Faulhaber und die Verfolgung der Juden durch das NS-Regime wurde aufgezeichnet und kann über folgenden Link nachgehört werden: https://youtu.be/5cA_JLSxVls
„Vor meinen Augen liegt das Jahr schwarz wie die Nacht und grausig wie das Höllental“
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1938 geht online
Düstere Vorahnungen quälen Michael von Faulhaber zu Beginn des Jahres 1938. Doch die Radikalität und die Brutalität der Maßnahmen des NS-Staates gegenüber seinen erklärten Feinden, dem „Weltjudentum und seinen schwarzen und roten Bundesgenossen“, übertreffen des Erzbischofs schlimmste Befürchtungen. Schon früh im Jahr notiert Faulhaber in einem Anflug von Resignation in sein Tagebuch, dass das Vorgehen des Regimes auf nichts weniger als „die Vernichtung des Christentums“ abziele. Zu diesem Zeitpunkt machen die Nationalsozialisten keinen Hehl mehr aus ihren konkordatswidrigen Absichten, das katholische Vereins- und Verbandswesen endgültig zu liquidieren, die Ordensschulen ausnahmslos zu schließen sowie sämtliche kirchliche Schulen in staatliche Gemeinschaftsschulen umzuwandeln. Mit immer neuen Eingaben bei den zuständigen Behörden tritt der Erzbischof diesen rechtswidrigen Maßnahmen entgegen, „aber vergeblich“, wie er schreibt. Auch in seinen Predigten findet er so deutliche Worte für die Handlungen der Nationalsozialisten, dass Reichspropagandaminister Goebbels am 24. Februar in seinem Tagebuch festhält: „Cardinal Faulhaber hat wieder eine freche Rede gegen uns gehalten. Aber unsere Rache wird nicht lange auf sich warten lassen.“
Immer verzweifelter gestaltet sich die Lage der getauften Juden. Für die Rettung sogenannter „nichtarischer Christen“, die sich an ihn wenden, engagiert sich Faulhaber stark, indem er u.a. in Zusammenarbeit mit dem Caritasverband in München und dem Raphaelsverein in Hamburg deren Auswanderung fördert. Dagegen erkennt er keine originäre Zuständigkeit der katholischen Kirche, Verfolgten anderer Religionsgemeinschaften zur Seite zu stehen, weswegen er jegliches Engagement zugunsten deutscher Juden unterlässt, wiewohl er deren Schicksal zutiefst bedauert. Den Abriss der jüdischen Hauptsynagoge im Zentrum Münchens im Sommer thematisiert er in seinem Tagebuch nicht. Doch finden sich dort auch nur dürre Worte über den Abriss der evangelisch-lutherischen Matthäuskirche wenig später. Lakonisch vermerkt er über die Reichspogromnacht: „Heute Nacht die Synagoge in der Herzog-Rudolfstraße niedergebrannt und die Auslagen der Judengeschäfte eingeschlagen.“
Akribisch und ausführlich fällt hingegen seine Schilderung der ebenfalls dramatischen Ereignisse in der Nacht vom 11. auf den 12. November aus, als ein von der NS-Propaganda aufgehetzter Mob aus NSDAP-Mitgliedern, HJ, SS- und SA-Männern unter „Nach Dachau“- und „In Schutzhaft mit dem Hochverräter“-Rufen versucht, gewaltsam in das Erzbischöfliche Palais ein- und zu ihm vorzudringen. Der Sturm auf das Palais wird im letzten Moment, kurz vor dem Bersten des massiven Eingangstores, gestoppt – von der Polizei, aber vermutlich auch auf Anweisung eines hohen Parteifunktionärs.
Abendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern
Donnerstag, 8. Oktober 2020, 19.00 Uhr„Vor meinen Augen liegt das Jahr schwarz wie die Nacht und grausig wie das Höllental“ - Michael Kardinal von Faulhaber - Das Tagebuch 1938 geht online
Im Zentrum des Tagebuchs steht zu Beginn des Jahres 1938 die gegen den Katholizismus gerichtete Politik des NS-Regimes. Verzweifelt versucht Faulhaber an der Spitze des bayerischen Episkopats, die rechtswidrige Schließung der Ordensschulen und die Auflösung der katholischen Verbände abzuwenden.
Die erneute Verhaftung von Pater Rupert Mayer durch die Gestapo im Januar und die sich häufenden Predigtverbote sorgen für Unruhe im katholischen Volksteil. Vor den Augen der Münchner Bevölkerung zeigt sich die Radikalität des Antisemitismus der Nationalsozialisten im Sommer beim Abriss der Hauptsynagoge im Herzen der Stadt und in der Pogromnacht vom 9./10. November.
Die Abendveranstaltung wird aus zwei etwa halbstündigen Vorträgen und einer sich anschließenden Diskussion mit dem Publikum bestehen:
Die Veranstaltung ist leider bereits ausgebucht (Stand: 15.09.2020). Es gibt nur noch Plätze auf der Warteliste. Wichtige Hinweise zur Veranstaltung, inklusive der geltenden Abstands- und Hygieneregeln, finden Sie auf der Website der Katholischen Akademie in Bayern .
Presseecho zum Onlinegang der Tagebuch-Jahrgänge 1937, 1947 und 1948
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebucheinträge Faulhabers aus den Jahren 1937, 1947 und 1948 ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Dr. Dirk Walter: „Ein Tag trauriger als der andere“. In: Münchner Merkur, 19.11.2019, Nr. 267, S. 12.
- Weitere Gedanken eines kirchlichen Zeitzeugen (20.11.2019). domradio.de. https://www.domradio.de/themen/kirche-und-politik/2019-11-20/kardinal-faulhabers-tagebuch-von-1937-ab-sofort-online-lesbar (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
- Kardinal Faulhabers Tagebuch von 1937 online (21.11.2019). Münchner Kirchenzeitung online. https://mk-online.de/meldung/kardinal-faulhabers-tagebuch-von-1937-online.html (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
- Dr. Dirk Walter: „Criminalität nimmt furchtbar zu“. In: Münchner Merkur, 01.04.2020, Nr. 77, S. 14.
- Tagebücher geben Einblicke (02.04.2020). domradio.de. https://www.domradio.de/themen/bistuemer/2020-04-02/tagebuecher-geben-einblicke-faulhaber-wollte-fluechtlinge-aus-dem-osten-nach-kanada-schicken (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
- Faulhaber wollte Flüchtlinge aus dem Osten nach Kanada schicken (02.04.2020). Neues Ruhr-Wort https://neuesruhrwort.de/2020/04/02/faulhaber-wollte-fluechtlinge-aus-dem-osten-nach-kanada-schicken/ (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
- Dr. Dirk Walter: Faulhabers Einsatz für NS-Kriegsverbrecher. In: Münchner Merkur, 05/06.09.2020, Nr. 205, S. 11.
- Verschriftlichte Gedanken (08.09.2020). domradio.de. https://www.domradio.de/themen/bistuemer/2020-09-08/verschriftlichte-gedanken-neues-faulhaber-tagebuch-kardinal-plante-protest-bei-truman (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
- Weiteres Faulhaber-Tagebuch online (09.09.2020). Münchner Kirchenzeitung online. https://mk-online.de/meldung/weiteres-faulhaber-tagebuch-online.html (Letzter Zugriff am 14.09.2020).
„…und die Zeit meines Todes ist nahe“
Gepeinigt von Todesahnungen stellt sich der im 80. Lebensjahre stehende Erzbischof von München und Freising den mannigfachen Herausforderungen der frühen Nachkriegszeit in Bayern
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1948 geht online
Im Tagebuch 1948 präsentiert sich ein gesundheitlich angeschlagener Michael von Faulhaber, der im Bündnis mit dem bayerischen Klerus und Kultusminister Alois Hundhammer über das ganze Jahr hinweg einen zähen und letztlich überwiegend erfolgreichen Abwehrkampf gegen die Schulreformpläne der US-amerikanischen Besatzungsmacht führt. Entsetzt zeigt sich der Erzbischof über die fortgesetzten Hinrichtungen zum Tode verurteilter Kriegsverbrecher und kündigt eine Intervention bei US-Präsident Harry Truman an. Unstimmigkeiten mit den US-Behörden bestehen zu Beginn des Jahres ebenfalls in der Frage der Wiederzulassung konfessioneller bzw. interkonfessioneller Gewerkschaften, wie es Faulhaber wünscht.
Schwer belastet ihn die „Causa Scharnagl“, der seit Jahren bestehende Verdacht, dass sein Weihbischof zum Schaden seiner Kirche in der NS-Zeit für die Gestapo gespitzelt habe. Die lang gehegte Hoffnung, ein Verfahren vor Gericht vermeiden zu können, erfüllt sich nicht. Am 21. September tritt Faulhaber als Zeuge vor der Spruchkammer auf. Der Prozess endet mit einem Freispruch für Anton Scharnagl, wie ein erleichterter Faulhaber umgehend an Papst Pius XII. schreibt.
Sorgenvoll blickt der Erzbischof auf den ununterbrochenen Zuzug von Flüchtlingen aus dem Osten nach Bayern. Weil ihm eine Rückführung der Vertriebenen in ihre Heimat aussichtslos erscheint, befürwortet er deren Auswanderung nach Übersee. Eine dauerhafte Ansiedlung der Flüchtlinge hält er für „unmöglich, weil das Land bis an die Grenze bevölkert“ sei. Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist weiterhin schwierig, die Wohnungsnot groß.
Das zentrale Ereignis des Jahres, die Währungsreform vom 20. Juni, verbindet sich für Besucher Faulhabers mit der Erfahrung von Armut und Enteignung, findet aber nur selten Eingang in sein Tagebuch. Die wenige Tage später beginnende Blockade Westberlins durch die Sowjetunion ist ihm nur einen kurzen Eintrag wert. Keine Erwähnung findet der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, der im August tagt. Auch über die Existenz und die Aufgaben des Parlamentarischen Rates in Bonn zeigt sich Faulhaber im Herbst zunächst nicht orientiert, befürchtet dann aber, dass dessen Beschlüsse die Kulturhoheit der Länder beschneiden werden. Sein Augenmerk, so zeigt das Tagebuch 1948 deutlich, gilt seiner bayerischen Heimat.
„Auswanderung der Flüchtlinge inclusive Eingeborener ins Ausland“
Der anhaltende Zuzug der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten nach Bayern bereitet dem Erzbischof von München und Freising große Sorgen.
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1947 geht online
Auch zwei Jahre nach Ende des Weltkrieges herrschen dramatische Zeiten in Bayern, wie im spannenden Tagebuch 1947 nachzulesen ist. Angesichts der Wohnungsnot in den kriegszerstörten bayerischen Städten, der anhaltend schwierigen Versorgungslage der einheimischen Bevölkerung und unter konfessionellen Gesichtspunkten sieht der Münchner Erzbischof die stetige Zuwanderung aus den ehemaligen Ostgebieten nach Bayern äußerst kritisch. Mitte September kommt es zu einem Treffen Faulhabers mit dem früheren Reichskanzler Hans Luther. Wie den Aufzeichnungen Faulhabers zu entnehmen ist, besteht Einigkeit darüber, eine „geschlossene Auswanderung der Flüchtlinge inclusive Eingeborener ins Ausland, Canada zunächst – unter kirchlicher Führung“ anzustreben, um die „Überbevölkerung“ in den Griff zu bekommen, die es „unmöglich“ mache, „wieder in die Höhe zu kommen.“ Wenig später nimmt der Erzbischof Anstoß an der „Tanzwut der Flüchtlingsjugend“.
Daneben sieht er sich mit weiteren Problemen konfrontiert. Der Fall des Weihbischofs Anton Scharnagl, der schon 1946 nicht nur im Münchner Klerus für Aufregung gesorgt hatte, spitzt sich 1947 zu und wird zum Gegenstand der Presseberichterstattung. Um einer möglichen Verhaftung Scharnagls, der u.a. im Verdacht steht, für die Gestapo spioniert zu haben, durch die Polizei vorzubeugen, stellt Faulhaber ihn im Februar unter Hausarrest. Ebenso unerfreulich entwickelt sich das Verhältnis zur US-Besatzungsmacht, die Begünstigungen, die der katholischen Kirche aus dem Gesetz über die Bodenreform in Bayern erwachsen sind, rückgängig machen möchte und erbost ist über die Flut der „Persilscheine“, die kirchliche Würdenträger ausstellen, um die Politik der Entnazifizierung zu unterlaufen. Zudem sieht sich Faulhaber als führender Repräsentant des Katholizismus dem Vorwurf ausgesetzt, dass die Kirche sich in der NS-Zeit nicht an die Seite der Juden gestellt habe und es nun wieder unterlasse, dem grassierenden Antisemitismus vernehmbar entgegenzutreten. Sorgen um die Zukunft der Bekenntnisschule, die in Frage stehende Fortgeltung des Reichskonkordats von 1933 und die Furcht vor einem neuen Krieg belasten den gesundheitlich angeschlagenen Erzbischof zusätzlich.
CALL FOR PAPERS
Katholizismus im Umbruch? Michael Kardinal von Faulhaber und die katholische „Ordnung“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
Der Münchner Erzbischof Michael Kardinal von Faulhaber polarisiert mehr als 65 Jahre nach seinem Tod weiterhin. Neuestes Beispiel dafür ist die Initiative des „Bundes für Geistesfreiheit München“, der Faulhaber einen „Kriegstreiber, Demokratiefeind und Hitler-Verehrer“ nennt und infolgedessen die Umbenennung der Kardinal-Faulhaber-Straße in München fordert. Der Journalist und Schriftsteller Christian Feldmann bezeichnete den Münchner Erzbischof hingegen Anfang des Jahres 2019 in der Münchner Kirchenzeitung als einen „Widerständler mit kleinen Fehlern“.
Die Ambivalenzen und Widersprüche Faulhabers wahrzunehmen, ermöglicht indes ein seit 2014 von der DFG gefördertes Editionsvorhaben: Die vom Institut für Zeitgeschichte München-Berlin und dem Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster verantwortete „Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers (1911-1952)“ lässt sowohl Denkfiguren und Netzwerke Faulhabers als auch Wandlungsprozesse innerhalb des katholischen Milieus in Bayern und darüber hinaus erkennen.
Zu Jahresbeginn 2021 möchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Editionsprojekts eine erste Bilanz ziehen. In einem zweitägigen Workshop sollen zentrale Themenfelder der Geschichte des Katholizismus in interdisziplinärer Perspektive beleuchtet werden. Das Editionsteam ist davon überzeugt, dass ein Kirchenmann wie Faulhaber nur dann adäquat verstanden werden kann, wenn er sowohl als Theologe als auch als Politiker untersucht wird, denn sein theologisches und politisches Denken bedingten sich gegenseitig. Im Mittelpunkt des Workshops steht die Frage, inwiefern sich katholische Ordnungsvorstellungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wandelten und welche gesellschaftlichen und politischen sowie theologischen Auswirkungen sich daraus ergaben.
Ausgehend von Kardinal Faulhaber sollen dabei drei Themenfelder im Fokus stehen: Erstens wird der Workshop die Frage nach dem Verhältnis Faulhabers und der Katholischen Kirche zur Demokratie anhand der für den Katholizismus zentralen Denkkategorien Ordnung und Hierarchie analysieren. Zweitens soll der Wandel von Weiblichkeitsvorstellungen beleuchtet und nach den Geschlechterverhältnissen im Spannungsfeld von Amtskirche und Milieu gefragt werden. Drittens sollen theologische Positionierungsversuche des Katholizismus in der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und dem Nationalsozialismus untersucht werden, um das theologische Fundament der Ordnungsvorstellungen offenzulegen. Beiträge zum europäischen Katholizismus werden explizit begrüßt. Der Call wendet sich sowohl an etablierte Forscherinnen und Forscher als auch an Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.
Der Workshop findet am 18./19. Februar 2021 in München statt. Die Reise- und Übernachtungskosten werden nach den Bestimmungen des Bundesreisekostenrechts erstattet. Es ist geplant, die Vorträge zu publizieren.
Beitragsvorschläge zu den jeweiligen Themenfeldern werden bis zum 4. Mai 2020 in Form eines kurzen Abstracts (max. 3.500 Zeichen) und einer knappen biografischen Notiz an Moritz Fischer (fischer@ifz-muenchen.de) erbeten.
Verantwortliche:
- Prof. Dr. Andreas Wirsching (Institut für Zeitgeschichte München-Berlin)
- Prof. Dr. Dr. h.c. Hubert Wolf (Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster)
Kardinal Faulhaber auf dem Obersalzberg
Vortrag von Philipp Gahn im Rahmen der Obersalzberger Gespräche in Berchtesgaden
Am 12. März 2020 hielt der Projektmitarbeiter Philipp Gahn im Rahmen der Obersalzberger Gespräche einen Vortrag über den Besuch Kardinal Faulhabers bei Adolf Hitler auf dem Obersalzberg am 4. November 1936. Über die Veranstaltung berichteten folgende Medien:
- Kardinal Faulhaber auf dem Obersalzberg (13.03.2030). Regional Fernsehen Oberbayern: https://www.rfo.de/mediathek/video/kardinal-faulhaber-auf-dem-obersalzberg/ (Letzter Zugriff am 19.03.2020).
- Christoph Merker: Umstrittene Rolle in der NS-Zeit: Schwankend zwischen Nähe und Distanz (14.03.2020). Berchtesgadener Anzeiger: https://www.berchtesgadener-anzeiger.de/region-und-lokal/lokales-berchtesgadener-land/berchtesgaden_artikel,-umstrittene-rolle-in-der-nszeit-schwankend-zwischen-naehe-und-distanz-_arid,558780.html (Letzter Zugriff am 19.02.2020).
- Als der Kardinal zu Hitler kam: Die Begegnung zwischen Kardinal Faulhaber und dem "Führer". Interview mit Philipp Gahn (20.03.2020). CNA Deutsch: https://de.catholicnewsagency.com/story/die-tagebucher-des-kardinals-und-das-treffen-mit-adolf-hitler-ein-gesprach-5937 (Letzter Zugriff am 20.02.2020).
Basis des Vortrags war das stenografische Konzept Faulhabers zum Gespräch mit Hitler. Dieses wird voraussichtlich in der ersten Jahreshälfte 2021 als Dokumentation in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte erscheinen.
„Ich schätze ihn persönlich sehr hoch, als wirklichen Staatsmann“
Der NS-Staat verschärft den Kampf gegen die katholische Kirche stetig, doch der Erzbischof von München und Freising zählt weiter auf den „guten Willen“ Adolf Hitlers.
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1937 geht online
Das spannende Tagebuch 1937 zeigt einen emotional zerrissenen Faulhaber. Nach seiner mehrstündigen Unterredung mit Hitler Anfang November 1936 auf dem Obersalzberg keimte beim Münchner Oberhirten die Zuversicht auf, durch regelmäßigen und persönlichen Kontakt mit dem Staatsoberhaupt Differenzen im Verhältnis von Staat und katholischer Kirche in Zukunft gütlich beilegen zu können. Dem Wunsch Hitlers, in Absprache mit seinen Bischofskollegen ein Rundschreiben gegen den Bolschewismus zu verfassen, kam er nach. Auch hatte ihn Hitlers Rede zum Jahrestag der Machtübernahme „tief ergriffen“. Doch der NS-Staat forcierte den Kampf gegen den Katholizismus. Die Nationalsozialisten attackierten die Ordensschulen und schufen die Bekenntnisschule ab. Sie schränkten die Verbreitung bischöflicher Verlautbarungen ein, erließen Kanzelverbote und verhafteten offen regimekritische Priester wie den Jesuitenpater Rupert Mayer. Die Sittlichkeitsprozesse machten selbst „gute Katholiken schwankend“, wie Faulhaber erfuhr, und es erfolgten „Sterilisierungen am laufenden Band“. Am 27. Februar vertraute er seinem Tagebuch an: „Ein Tag trauriger als der andere“ und „der Kopf so schwer und was man sieht, es ist alles umsonst.“ Trotzdem gab er sich weiterhin davon überzeugt, dass Hitler „gutgläubig“ sei und „keine Vernichtung der Kirche“ wolle. Umso belastender musste er den Auftrag von Papst Pius XI. empfinden, ein Rundschreiben zu entwerfen, in dem vor allem die anti-kirchliche Politik des NS-Staates scharf attackiert werden sollte. Aus Faulhabers Entwurf ging die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ hervor, die am 21. März 1937 auf den Kanzeln im Deutschen Reich verlesen wurde.
Beiträge zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1945 erschienen
Anlässlich der Veröffentlichung des Tagebuch-Jahrgangs 1945 am 14. Februar 2019 stellten die Projektleiter sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Editions-Teams bei einer Abendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern ausgewählte Themen des neuen Jahrgangs vor. Die Beiträge der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nun in der Zeitschrift „zur debatte“ der Katholischen Akademie erschienen. Das vollständige Heft können Sie hier downloaden oder hier als Druckfassung bestellen.
Folgende Beiträge sind dort zu finden:
- Hubert Wolf: Eingangsstatement.
- Philipp Gahn: Faulhabers Kriegschronik aus dem Jahr 1945.
- Raphael Hülsbömer: Faulhaber und das KZ Dachau.
- Moritz Fischer: Faulhaber und die Entnazifizierung.
- Franziska Nicolay-Fischbach: Faulhaber: Freund der Amerikaner - Förderer der re-education?
- Andreas Wirsching: Zusammenfassung.
Presseecho zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1936
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebucheinträge Faulhabers aus dem Jahr 1936 ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Sven Felix Kellerhoff: Hitler brüllte, dass man es im ganzen Treppenhaus hörte. In: Die WELT, 08.07.2019, Nr. 156, S. 19.
- Barbara Schneider (05.07.2019): Als Kardinal Faulhaber zu Hitler kam. BR radioWelt. https://www.br.de/nachrichten/kultur/als-kardinal-faulhaber-zu-hitler-kam,RVGgj8K (Letzter Zugriff am 25.07.2019).
- Sven Felix Kellerhoff (18.06.2019): Hitler brüllte, dass man es im ganzen Treppenhaus hörte. welt.de. https://www.welt.de/geschichte/article195452699/Kardinal-Faulhaber-Hitler-bruellte-dass-man-es-im-Treppenhaus-hoerte.html (Letzter Zugriff am 25.07.2019).
- Kardinal Faulhaber bei Hitler – Tagebücher von 1936 jetzt online (18.06.2019). kirche-und-leben.de https://www.kirche-und-leben.de/artikel/kardinal-faulhaber-bei-hitler-tagebuecher-von-1936-jetzt-online/ (Letzter Zugriff am 25.07.2019).
- Kardinal bei Hitler – Faulhaber-Tagebücher von 1936 online (18.06.2019). domradio.de https://www.domradio.de/themen/bist%C3%BCmer/2019-06-18/kardinal-bei-hitler-faulhaber-tagebuecher-von-1936-online (Letzter Zugriff am 25.07.2019).
„So laut einige Male, daß man es im ganzen Stiegenhaus hören mußte“
1936: Faulhaber bei Hitler
Kardinal Faulhabers Tagebuch aus dem Jahr 1936 geht online
Einen frühen Höhepunkt erreichte das Jahr 1936 für Kardinal Faulhaber mit den Feierlichkeiten zu seinem 25. Bischofsjubiläum im Februar. Bischöfe, Äbte, Priester und Gläubige kamen aus ganz Bayern, um an dem prachtvollen Zeremoniell teilzunehmen, in dem sich der gesellschaftliche Anspruch der katholischen Kirche deutlich manifestierte. „Bei der Rückfahrt so starke Ovation, daß der Wagen nicht vom Fleck kommt, ganz langsam zurückfahren muß und am Thor nicht hereinfahren kann, also zu Fuß und fast erdrückt“, hielt Faulhaber am 16. Februar in seinem Tagebuch fest. Doch diese Momente persönlicher Genugtuung konnten nicht über die schwierige Lage der katholischen Kirche im Jahr 1936 hinwegtäuschen. Der NS-Staat setzte seinen Kampf gegen diese mit unverminderter Härte fort. Der Abbau des Lehrpersonals an theologischen Hochschulen und kirchlichen Schulen und deren folgende Schließungen, die fortschreitende Auflösung der Bekenntnisschulen sowie die Beschlagnahmen bischöflicher Hirtenbriefe mögen dies beispielhaft illustrieren. Am 13. Juni notierte Faulhaber desillusioniert: „In diesen Tagen Übergang des schleichenden Kulturkampfes zum offenen. Aber Bischof sah das kommen.“ Um das sich rapide verschlechternde Verhältnis zwischen NS-Staat und Kirche zu verbessern, bemühte sich Faulhaber über Vertraute, ein persönliches Treffen mit Adolf Hitler zu arrangieren. Am 4. November 1936 kam es auf dem Obersalzberg zur Aussprache mit dem Diktator. Bisher unbekannte Beiblätter zum Tagebuch erweitern den Kenntnisstand über Ablauf und Inhalt der Zusammenkunft entscheidend. In der mehrstündigen Unterredung, die Faulhaber ausführlich und in bislang nicht gekannter Tiefe dokumentierte, gab „der Führer“ (Faulhaber) Einblicke in seine Anschauungen zum Verhältnis von Nationalsozialismus und Kirche sowie seine außen- und innenpolitischen Aktivitäten, Vorstellungen und Pläne. Mehrmals verlor Hitler dabei die Beherrschung. Für einige Wochen keimte bei Faulhaber die Zuversicht auf, dass sich das Verhältnis zwischen NS-Staat und Kirche entspannen könnte, hatte Hitler sich ihm und seinen Anliegen gegenüber doch überwiegend konziliant gezeigt. Die Hoffnung trog. Anfang 1937 begannen die Arbeiten an der päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“.
Presseecho zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1946
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebucheinträge Faulhabers aus dem Jahr 1946 ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Jakob Wetzel (19.06.2019): Gerüchte um den Weihbischof. sueddeutsche.de. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/scharnagl-faulhaber-tagebuecher-1.4490925 (Letzter Zugriff am 25.07.2019).
- Antonia Kleikamp (08.05.2019): Münchner Weihbischof war Spitzel der Gestapo. welt.de. https://www.welt.de/geschichte/article193122289/Kirche-im-Dritten-Reich-Weihbischof-war-Spitzel-der-Gestapo.html (Letzter Zugriff am 12.06.2019).
- Ein Zeitzeuge und seine Gedanken (07.05.2019). domradio.de. https://www.domradio.de/themen/bist%C3%BCmer/2019-05-07/tagebuch-von-kardinal-faulhaber-aus-dem-jahr-1946-online (Letzter Zugriff am 12.06.2019).
- Tagebuch von Kardinal Faulhaber des Jahres 1946 jetzt online lesbar (07.05.2019). catholicnewsagency.com. https://de.catholicnewsagency.com/story/tagebuch-von-kardinal-faulhaber-des-jahres-1946-jetzt-online-lesbar-4597 (Letzter Zugriff am 12.06.2019).
„Bevor die Bombe platzt“
Kardinal Faulhabers Tagebuch 1946 geht online
München/Münster, 7.5.2019 – Die Tagebücher des früheren Erzbischofs von München und Freising, Michael Kardinal von Faulhaber, die seit 2015 in einer Online-Edition zugänglich gemacht werden, sind um einen weiteren Jahrgang ergänzt worden: Auf der Seite https://www.faulhaber-edition.de hat das Forscherteam des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin und des Seminars für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte der Universität Münster nun den Jahrgang 1946 freigeschaltet.
Im November 1946 herrschte Krisenstimmung im Erzbischöflichen Palais in München. Die Anschuldigungen gegen Kardinal Faulhabers Weihbischof, Anton Scharnagl, drohten sich zu einem handfesten Skandal auszuwachsen. Dem Weihbischof wurde nicht nur vorgeworfen, mit der Gestapo kollaboriert und dabei das Domkapitel unterwandert zu haben, auch Gerüchte über eine Liebesbeziehung zu einer verheirateten Frau waren nicht zum Schweigen zu bringen. Am 6. November 1946 notierte Faulhaber in sein Tagebuch: „Also vorher etwas tun, bevor die Bombe platzt. Muß sich vollständig zurückziehen.“ Der Kardinal befürchtete nicht nur die Beschädigung des Rufs der katholischen Kirche, sondern ebenfalls einen negativen Einfluss auf das Ergebnis der kommenden Landtagswahl für das katholisch-konservative Lager. Drei Wochen später bat Erzbischof Faulhaber Papst Pius XII. um einen zweiten Weihbischof für das Erzbistum München und Freising.
Neben dem „Fall Scharnagl“ gibt das Tagebuch 1946 Auskunft über massive Differenzen zwischen katholischen Medizinern und Geistlichen in der Frage der Zulässigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen bei vergewaltigten Frauen und die dramatische Lage russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter, die sich ihrer Repatriierung in die Sowjetunion widersetzten. Die verbreitete Furcht vor der Ausbreitung des Kommunismus in Deutschland bzw. Bayern findet im Tagebuch 1946 ebenso Widerhall wie Faulhabers Ansichten zur Zukunft der Juden in Deutschland, die, wie er hoffte, „normal“ verlaufen solle. Eine Überraschung stellt die von Faulhaber betonte „gute Zusammenarbeit“ mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Wilhelm Hoegner (SPD) dar, – herrschten auf dem Feld der Kultuspolitik doch gravierende Differenzen zwischen katholischer Kirche und (bayerischer) Sozialdemokratie. Nicht spannungsfrei gestalteten sich im Jahr 1946 seine engen Kontakte zur US-amerikanischen Besatzungsmacht. Maßnahmen wie Beschlagnahmungen oder Enteignungen von Privateigentum stießen auf sein Unverständnis und ließen ihn um die Reputation der USA bangen, wie er vorgab: „Bewahrt das Sternenbanner vor dem geschichtlichen Vorwurf der Unmenschlichkeit.“ Faulhaber selbst gab sich von der Bedeutung seiner Person für die bayerisch-amerikanischen Beziehungen weiterhin tief überzeugt: „Die aus Amerika kommen, haben drei oder vier feste Punkte, die sie ansteuern: Dachau, Nürnberg, Bischof München, manchmal auch Konnersreuth“, wie er selbstbewusst am 9. Januar notierte.
Presseecho zum Onlinegang des Tagebuch-Jahrgangs 1945
Anlässlich der Veröffentlichung der Tagebucheinträge Faulhabers aus dem Jahr 1945 ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Interview mit Dr. Peer Oliver Volkmann im Bayrischen Rundfunk (14.02.2019). https://www.br.de/mediathek/video/faulhaber-tagebuecher-einblicke-in-kriegsende-av:5c6597ecbda2540018ba5a15 (Letzter Zugriff am 19.02.2019).
- Dr. Dirk Walter: „Das Verhalten der Frauen ist schandvoll“. Wie Michael von Faulhaber das Kriegsende erlebte (15.02.2019). merkur.de. https://www.merkur.de/lokales/freising/freising-tagebuecher-kardinals-michael-von-faulhaber-ueber-kriegsende-11777766.html (Letzter Zugriff am 19.02.2019).
- Kardinal Michael von Faulhabers Aufzeichnungen '45 sind erschienen (15.02.2019). katholisch.de. https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/wie-kardinal-faulhaber-auf-das-kriegsende-1945-blickte (Letzter Zugriff am 19.02.2019).
- Weltkriegs-Chronist Faulhaber. Tagebücher von 1945 jetzt online nachlesbar (15.02.2019). deutschlandfunk.de. https://www.deutschlandfunk.de/weltkriegs-chronist-faulhaber-tagebuecher-von-1945-jetzt.2849.de.html?drn:news_id=977262 (Letzter Zugriff am 19.02.2019).
- Nüchterner Chronist. Kardinal Michael von Faulhabers Aufzeichnungen '45 sind erschienen (17.02.2019). sueddeutsche.de. https://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/tagebuecher-von-kardinal-faulhaber-nuechterner-chronist-1.4334371 (Letzter Zugriff am 19.02.2019).
- Dr. Dirk Walter: „Das Verhalten der Frauen ist schandvoll“. Der Münchner Kardinal Faulhaber über das Kriegsende. Münchner Merkur Magazin, Nr. 3 2019/20, S. 30 f.
Abendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern
Donnerstag, 14. Februar 2019, 19.00 Uhr„Am letzten April... ist der Krieg zu Ende“ - Faulhabers Tagebuch 1945 geht online
Der Jahrgang 1945 beschreibt eindrucksvoll die dramatischen Geschehnisse der letzten Kriegsmonate und das bedrückende Elend der Bevölkerung nach der Kapitulation. In der zweiten Jahreshälfte treten die Entnazifizierungsverfahren, Konflikte mit den Besatzungsbehörden und der politische und gesellschaftliche Wiederaufbau in den Vordergrund.
Das Projektteam stellt seine Arbeit und die neuesten Erkenntnisse aus dem Tagebuch von Kardinal von Faulhaber vor.
Neue Einträge online: 1911-1916
Zum 17. Mai 2018 sind die Tagebucheinträge aus den Jahren 1911 bis 1916 online gestellt worden.
Sie werfen ein Schlaglicht auf Faulhabers Anfänge im Hirtenamt als Bischof von Speyer (1911-1917), auf den Aufbau seiner Netzwerke, die ihn zum Teil bis in seine Kardinalszeit begleiteten. Jahrgang für Jahrgang treten auch die Schwerpunkte seines Strebens in Speyer deutlicher hervor: Die Bildung der Frauen und ihre Einbindung in die Kirche, die Ablösung der Simultanverhältnisse in dem konfessionell gemischten Diözesangebiet, die katholische Lehrerbildung und die Akademikerseelsorge. Weitgehend ausgeblendet bleiben die Ereignisse des Ersten Weltkriegs und der Soldatenseelsorge, für die Faulhaber als stellvertretender bayerischer Feldpropst verantwortlich war. Hierzu legte Faulhaber eine eigene Tagebuchreihe an; die Besuchstagebücher behandeln überwiegend seine diözesane Tätigkeit.
- Einträge des Jahres 1911
- Einträge des Jahres 1912
- Einträge des Jahres 1913
- Einträge des Jahres 1914
- Einträge des Jahres 1915
- Einträge des Jahres 1916
Zu Faulhaber als Bischof von Speyer siehe auch die neue Veröffentlichung von Dominik Schindler, Der Kairos im Chronos der Geschichtlichkeit. Michael Faulhaber als Bischof von Speyer (1911-1917) (Münchner Kirchenhistorische Studien, Neue Folge, Bd. 7), Stuttgart 2018.
"Am Abend schwirrt mir der Kopf vor Exzellenzen"
Vor 100 Jahren wurde Michael von Faulhaber zum Münchner Erzbischof ernannt - Editionsprojekt stellt Tagebücher aus dem Jahr 1917 online
München/Münster, 11. Dezember 2017. – Im Weltkriegsjahr 1917, also vor 100 Jahren, trat Michael von Faulhaber sein Amt als Erzbischof von München und Freising an. Die Tagebucheinträge Faulhabers aus diesem Jahr sind nun vollständig auf unserer Website zugänglich. Sie dokumentieren nicht nur den Beginn von Faulhabers 35 Jahre währender Amtszeit als katholischer Oberhirte in der bayerischen Landeshauptstadt, sondern zeigen auch: Der Amtsantritt fiel in eine politisch aufgeladene Zeit.
Wunschkandidat der bayerischen Staatsspitze
Faulhaber, gebürtiger Unterfranke und seit 1911 Bischof im damals noch zum Königreich Bayern gehörenden Speyer, war der Wunschkandidat von Königshaus und Staatsregierung für die Nachfolge des im April 1917 verstorbenen Münchner Erzbischofs Franziskus Kardinal von Bettinger gewesen. Der wortgewaltige Bischof galt nicht nur als überzeugter Monarchist, sondern hatte in München nach den zeitgenössischen Worten der Bayerischen Staatszeitung mit seinen Reden bereits „vaterländisches Feuer“ zu entfachen gewusst. Für Faulhaber selbst bedeutete der Wechsel nach München einen Karrieresprung: Zählte Speyer zu dieser Zeit gut 22.000 Einwohner, sollte Faulhaber nun den Bischofsstab für eine Großstadt mit 600.000 Einwohnern übernehmen, die noch dazu als Zentrum des Katholizismus galt. Nicht alle schienen die Begeisterung der Staatsspitze für Faulhaber zu teilen: Die München-Augsburger Abendzeitung munkelte ebenso wie das Berliner Tageblatt, dass es im oberbayerischen Klerus massive Vorbehalte gegen die Berufung gebe. Er habe es nicht geschafft, sich in Speyer beliebt zu machen, und außerdem sei „ein einheimischer und populärer, weniger wissenschaftlich als seelsorgerisch gewappneter Kandidat für den schwierigen Münchner Posten vorzuziehen“, wurden „sachkundige“, aber anonyme Kreise zitiert. Doch auch der neugekürte Erzbischof zeigte sich rauflustig: Nachdem Faulhaber am 3. September 1917 in einer kriegsbedingt eher bescheidenen Zeremonie im Liebfrauendom inthronisiert worden war, zog er bereits mit seinem ersten Hirtenwort Kritik auf sich. Seine neue Heimat München, so der Bischof, sei „für ganz Bayern ein Hauptquartier und Einfallstor religionsfeindlicher und kirchenfeindlicher Freischärler“.
Umso mehr galt es für den neuen Amtsinhaber in den ersten Wochen und Monaten, seine umfangreiche Gemeinde ausgiebig kennenzulernen. Wie die immer ausführlicher werdenden Tagebucheinträge zeigen, erwarteten nicht nur eine Vielzahl von geistlichen Würdenträgern und katholischen Vereinen einen Antrittsbesuch – auch sämtliche adelige Familien und die Polit- und Verwaltungsprominenz Münchens machte bei Faulhaber ihre Aufwartung. „Am Abend schwirrt mir der Kopf vor Exzellenzen“, seufzte der gestresste Erzbischof am 18. September 1917 in sein Tagebuch.
Zusammen mit den Einträgen des Jahres 1917 werden auch die Aufzeichnungen Faulhabers aus dem Jahr 1935 online gestellt.
Berichterstattung zum Onlinegang 1934
Im Kontext der jüngsten Veröffentlichung der Tagebucheinträge aus dem Jahr 1934 berichtet Dr. Dirk Walter im Münchner Merkur unter dem Titel "Ich nehme Hitler in Schutz - Neue Forschungen über den Münchner Kardinal Faulhaber" über das Editionsprojekt.
Der Erzbischof als kriegsmüder Feldpropst und Attentatsopfer
Weitere Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers online
München/Münster, 9. Mai 2017 – Zwei weitere Jahrgänge der Tagebücher Michael von Faulhabers sind jetzt vollständig online zugänglich. Die Notizen aus den Jahren 1918 und 1934 zeigen den Münchener Erzbischof unter anderem als kriegsmüden Feldpropst und als Opfer eines Attentats. Darüber hinaus lässt die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte kritische Online-Edition an vielen Stellen erkennen, wie Faulhaber die Jahrhundertkatastrophen des Ersten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur wahrnahm. Die neu zugänglichen Quellen ergänzen die bereits 2015 online veröffentlichten Jahrgänge 1919 und 1933 auf der Website des Editionsprojektes.
1918: Feldpropst Faulhaber kriegsmüde
Nach einem Gespräch mit dem Domkapitular Michael Buchberger, der später Bischof von Regensburg werden sollte, klagte Faulhaber am 3. September 1918 über „Militaria ohne Ende“. Am 1. Oktober 1918 hielt er fest, sein Generalvikar Sebastian Huber sei „ernst und zitternd vor Aufregung“ aus einer Sitzung der Zentrumspartei gekommen. „Die militärische Lage furchtbar ernst, nicht bloß nach Osten, sondern auch im Westen. Im Inneren ebenso.“ Innerhalb von 24 Stunden könne, so zitierte Faulhaber den Generalvikar, eine „Wendung“ kommen; der Episkopat müsse, wie in der Revolution von 1848, etwas tun. „Ich werde rundschreiben“, notierte der Erzbischof.
1934: Feierliche Beflaggung über zerschossenen Scheiben
Zu Beginn des Jahres 1934 war Faulhaber heftigen Angriffen durch führende Nationalsozialisten ausgesetzt. Diese hatten seine Adventspredigten von 1933 als scharfe Kritik an der Rassenideologie im Allgemeinen und dem Antisemitismus im Besonderen wahrgenommen. Eine Rede des nationalsozialistischen bayerischen Staatsministers Hermann Esser am 26. Januar 1934 heizte die Stimmung zusätzlich auf. In der Nacht vom 27. auf den 28. Januar 1934 schossen Unbekannte mehrmals auf die Fenster von Faulhabers Sprechzimmer im Erzbischöflichen Palais. „Ich habe in der Nacht nichts gehört – außer während Rosenkranz, wobei Auto Geräusch verdecken kann. Die Wehrmannpistole nicht sehr laut“, schrieb Faulhaber am 28. Januar ins Tagebuch. Trotz des Anschlags versuchte er weiterhin, mit den Machthabern konstruktiv zusammenzuarbeiten. Schon zwei Tage später, am 30. Januar , notierte er: „Heute nationaler Grosstag (1. Gedenkjahr der Machtübernahme Hitlers als Reichskanzlers) – am Haus zwei Fahnen ausgehängt – über den zerschossenen Scheiben. Übernahme war legal, also mitfeiern.“
Neue Einträge online
Zum 7. April 2017 hat das Team der Faulhaber-Edition die Tagebucheinträge Faulhabers aus den Monaten Januar bis einschließlich Dezember 1934 online gestellt. Auf unserer Seite finden Sie somit nun alle Einträge des Kardinals aus den Jahren 1918, 1919, 1933 und 1934. Für die Jahre 1933 und 1934 sind außerdem die Beiblätter, die Faulhaber ergänzend zu den Tagebüchern anlegte, verfügbar.
Neue Einträge und Editionsrichtlinien online
Zum 8. März 2017 hat das Team der Faulhaber-Edition die Tagebucheinträge Faulhabers aus den Monaten Januar bis einschließlich Oktober 1918 online gestellt. Auf unserer Seite finden Sie somit nun alle Einträge des Kardinals aus den Jahren 1918 und 1919 sowie die Einträge aus dem Zeitraum Januar bis einschließlich Dezember 1933. Für das Jahr 1933 sind außerdem die Beiblätter, die Faulhaber ergänzend zu den Tagebüchern anlegte, verfügbar.
Ebenfalls zum 8. März 2017 sind die Editionsrichtlinien auf der Faulhaber-Website veröffentlich worden.
Forschungsübersicht online
Eine Forschungsübersicht mit dem Titel "Faulhabers Tagebücher und die Katholizismusforschung" hat Holger Arning, Mitarbeiter am Münsteraner Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte, unter Mitwirkung von Philipp Gahn, Carina Knorz, Franziska Nicolay, Thomas Schütte und Peer Volkmann verfasst. Diese Forschungsübersicht steht seit dem 20. Dezember 2016 als PDF-Datei online zum Download zur Verfügung. Sie basiert auf den bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2013 und 2016 eingereichten Anträgen und wird weiter ergänzt.
Empfohlene Zitierweise: Holger Arning unter Mitwirkung von Philipp Gahn, Carina Knorz, Franziska Nicolay, Thomas Schütte und Peer Volkmann, Faulhabers Tagebücher und die Katholizismusforschung. Forschungsübersicht und Ausblick, in: Kritische Online-Edition der Tagebücher Michael Kardinal von Faulhabers (1911–1952), 20. Dezember 2016, online unter: http://www.faulhaber-edition.de/public/forschungsuebersicht-2016.pdf.
Neue Einträge online
Zum bundesweiten Tag der Archive am 5. März 2016 hat das Team der Faulhaber-Edition neue Tagebucheinträge und Beiblätter online gestellt. Auf unserer Seite finden Sie nun die Einträge des Kardinals in sein Besuchstagebuch von November 1918 bis Dezember 1919 und von Januar bis Dezember 1933 sowie für 1933 außerdem die Beiblätter, die Faulhaber ergänzend zu den Tagebüchern anlegte.
Ebenfalls zum Tag der Archive ist im „Münchner Merkur“ ein Bericht über das Faulhaber-Projekt erschienen:
Dr. Dirk Walter (5.3.2016): Neues aus den Tagebüchern Faulhabers: „Von einem Judas verraten“. Merkur.de.
http://www.merkur.de/bayern/von-einem-judas-verraten-6182550.html
(Letzter Zugriff am 13.03.2016).
Tag der Archive 2016
Präsentation des Erzbischöflichen Archivs München zum Tag der Archive 2016
Zum Tag der Archive werden weitere Tagebucheinträge und Beiblätter aus den Jahren 1919 und 1933 freigeschaltet. Am Tag der Archive sind erstmals auch die Original-Tagebücher für die Öffentlichkeit zu sehen. Mitarbeiter des Projekts sind anwesend und erläutern die anspruchsvolle Arbeit an der Edition.
Laufend angebotene Führungen durch die Archivmagazine runden das Angebot zum Tag der Archive ab.
Veranstaltungsort und nähere Informationen:
Archiv des Erzbistums München und Freising, Karmeliterstraße 1 (Eingang Pacellistraße), 80333 München
Ansprechpartner: Guido Treffler M.A. M.A.
Verkehrsanbindung: U4/U5, S-Bahn, Haltestelle Karlsplatz (Stachus); U3/U6, Haltestelle Marienplatz; Tram 19, Haltestelle Lenbachplatz
Tel. 089/2137-1346 oder -1688, Fax -1702
E-mail: archiv@eomuc.de
Homepage: www.erzbistum-muenchen.de/dioezesanarchiv
Projekt-Homepage: www.faulhaber-edition.de
Veranstaltungszeit: Samstag, 5. März 2016, 10-17 Uhr
Presseecho
Im Kontext der Vorstellung der Faulhaber-Online-Edition am 28.10.2015 in der Katholischen Akademie München ist in verschiedenen Medien über das Projekt berichtet worden:
- Gedankenwelt eines Geistlichen (23.10.2015). katholisch.de. http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/gedankenwelt-eines-geistlichen (Letzter Zugriff am 04.11.2015).
- Jakob Wetzel (27.10.2015): Es ist gut für das Vaterland zu leben. Interview mit Professor Hubert Wolf. sueddeutsche.de. http://www.sueddeutsche.de/muenchen/widerspruechliche-figur-es-ist-gut-fuer-das-vaterland-zu-leben-1.2710777 (Letzter Zugriff am 04.11.2015).
- Christoph Renzikowski (28.10.2015): Tagebücher des Münchner Kardinals Michael Faulhaber gehen online. „Als ob man mir mit einem Prügel auf den Kopf geschlagen hätte“. domradio.de. http://www.domradio.de/themen/bist%C3%BCmer/2015-10-28/tagebuecher-des-muenchner-kardinals-michael-faulhaber-gehen-online (Letzter Zugriff am 04.11.2015).
- Christine Watty (28.10.2015): Michael von Faulhaber. Ein umstrittener Kardinal geht online., Interview mit Professor Andreas Wirsching. deutschlandradiokultur.de. http://www.deutschlandradiokultur.de/michael-von-faulhaber-ein-umstrittener-kardinal-geht-online.1013.de.html?dram:article_id=335308 (Letzter Zugriff am 04.11.2015).
- Sven Felix Kellerhoff (29.10.2015): Faulhabers Angst vor dem zweiten Kulturkampf. welt.de. http://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article148170867/Faulhabers-Angst-vor-dem-zweiten-Kulturkampf.html#disqus_thread (Letzter Zugriff am 04.11.2015).
- Der Abschied vom Leben ist vorbereitet. In: Münchner Merkur, Nr. 249, 29.10.2015, S.3.
- Miriam Hönig: Krisenjahre eines Kirchenfürsten in München. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.11.2015, Nr. 256, S. N3.
Onlinegang
Mittwoch, 28. Oktober 2015, 18.00 UhrAbendveranstaltung in der Katholischen Akademie in Bayern
„Heute wird über das Schicksal von Bayern entschieden“ -
Faulhabers erste Tagebücher gehen online
→ Veranstaltungshinweis der Katholischen Akademie in Bayern
Im Rahmen des Festakts zum Onlinegangs der Faulhaber-Editon las Rudolf Guckelsberger aus dem Tagebucheintrag Faulhabers zum 8. November 1918: