Tagebucheintrag vom 1. April 1924Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10009, Seite 63,64

Text+KommentierungNur Text
Dienstag, 1. April. Kritischer Tag, weil im Hitler-Prozeß das Urteil verkündet wird (Hitler und einige andere fünf Jahre, Ludendorff frei, die übrigen eineinviertel Jahre). Die Straße in Aufregung. Tags zuvor, abends 18.30 Uhr, war Domvikar Ebert bei mir: Der Abt von Sankt Bonifaz hätte aus ganz sicherer Quelle telefonisch, es werde nach dem Urteil eine Demonstration gegen die Promenadestraße gemacht - man soll es weitergeben. Ebenso läuft mir auf dem Weg zur Nuntiatur Maria Kreill nach mit der gleichen traurigen Nachricht, ebenso eine aus ganz sicherer Quelle. Die heilige Messe und der Morgen sehr ernst, aber ruhig. Ca. 10.00 Uhr bringt mir Sekretär die von Herrn Eisele telefonierte Mitteilung.

➥ Seite 64

Marie Seinsheim - dankt für Hirtenbrief, klagt über Not und Schwester - bar 25 Dollar.

Von der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank Oberinspektor Mark - wegen der Schlüssel zum neuen Ostausgang. 13.30 Uhr, als das Bankpersonal weg ist, übergibt mir Verwalter die Schlüssel an Ort und Stelle.

Geheimrat Kösters schickt seinen Jahresbericht vom Kohlenwerk.

Nachmittags, 15.00 - 16.00 Uhr, Frau Artmann - mit dem Osterhasen. Wegen des Plans mit der Romreise.

Abends in Spannung, weil Demonstrationen vor dem Haus angemeldet sind - nach der Promenadestraße mache ich kein Licht - dafür bete ich mit der Oration zum Tage (feria tertia, hebdomada quarta in quadragesimam): Domine, continuis tribulationibus laborantem respirare concede! Nur einmal ein wenig ausschnaufen. Die Nacht ist ruhig, obwohl abends, 20.00 Uhr, noch einmal Reichswehr mit Maschinengewehren unter meinem Fenster vorbeizieht.