Tagebucheintrag vom 8. Januar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 36

Mittwoch
8. Jan.
früh 6 h nach schlafloser Nacht auf einmal Geklopf – da wird ein Maschinengewehr eingebaut – /
durchs Fenster sehe ich gerade meinem Arbeitsfenster gegenüber in der Bank – er klopfte Akten aus weil wahrscheinlich die Bank ausräumt. /
Ein Beamter der Bibliothek telef.: Ein Disk.redner bei den Kommun. habe gestern Abend für morgen, also für /
heute einen Zug zum Erzbischof gefordert. Also sich bereit halten. In der Stadt die wildesten Gerüchte: Ich sei geschlagen, mißhandelt /
worden, ich sei auswärts geflüchtet, das Milchmädchen: In der Zeitung sei gestanden die Bischofswohnung und die Bank würden heute gestürmt,

Ich mache mich bereit, denn die Anzeichen mehren sich mehr und mehr daß die Revol. gegen den Altar genau so vorbereitet wird wie /
die gegen den Thron: Gehe zur Generalbeichte nach St Bonif. und bete nur: Hr. in deine Hände. Totgeschossen werden ist /
nicht schlimm aber dieses wochenlange vor dem Tode stehen, von früh bis abends und von abends bis früh. Sekr. geht ohne mein Wissen zum Stellvertreter /
des Min. für militärische Angelegenheiten: Sagt ihm zwar, ich wollte nicht direkt mit jetziger Regierung verkehren, er aber <meine> ich solle einen Schutz haben. Der Herr Lt. /
kann keinen Schutz zusagen!! Vom militärischen Schutz spricht er überhaupt nicht, meint nur, ich müsse sie empfangen, vielleicht die Wache im Landtag anrufen.

Heute Nachmittag kann man nicht aus dem Hause gehen. Von Berlin werden furchtbare Straßenkämpfe gemeldet, unentschieden wer dort Herr der Lage /
bleibt – ob die Regierung EbertScheidemann oder Spartakus. Heute Abend hat Sontheimer um 7h /
eine Versammlung – und danach muß ich wohl den Zug zu mir erwarten. Oh da betet man sein Completor. so andächtig! Visita... /
Jedes laute Wort von der Straße schreckt wieder auf.