Tagebucheintrag vom 15. Juli 1923Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10008, Seite 47,48

15. Juli 8h celebr. im Palais Fürstenstr. 1 mit Komm. /
und danach nach dem Frühstück vom Balkon aus den Turner- /
Festzug
angeschaut. Bürgermeister Schmid hatte eingeladen von seinem Amtszimmer aus anzuschauen, /
ich hatte aber abgelehnt. Viel Sachsen u andere nordische Brüder und trotzdem keine prß Fahne, /
kein Schwarzrotgold, aber viel Schwarzweißrot und demonstrat. das Weissblau - die alte /
Hohenzollernfahne wird geschwenkt, sogar die alte Habsburgerfahne mit Trauerflor, manche waren durch die

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Wupper geschwommen um aus dem besetzten Gebiet herauszukommen, andere durch den Rhein (wobei einer allerdings /
ertrank). Die Haltung ist ausgezeichnet. Keine rote Fahne. Den einzelnen wird es eine seelische Aufrichtung sein, im Ganzen freilich wegen der /
Franzosen ein Unglück. 12h von Kanonenschlag zu Kanonenschlag Trauerhalt und dann „Ich hatte einen Kameraden“. /
Prinz Waldeck begleitet mich nach Hause. Die Leute spritzen Wasser über die Kolonnen. Gegen Religion /
und Kirche keinerlei Abzeichen, außer daß der Festzug Sonntagvormittag gehalten wurde - ich habe das erst vorabends erfahren. /
2h erste Möglichkeit heimzugehen.

Nachm. gearbeitet und abds ein Lehrling zum Haareschneiden in Übung, bleibt auch zum Rosenkranz.