Tagebucheintrag vom 7. November 1918Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 5

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Der erste Tag und die erste Nacht.

Donnerstag, 7. November, Nachmittag 15.00 Uhr, auf der Theresienwiese Versammlung . Von den Sozialdemokraten gedacht als Exploron, um das Volk zufrieden zu stellen, wollten den Unabhängigen den Wind aus den Segeln nehmen. Im Zug wohl einige Tafeln: Nieder die Dynastie, (eine andere: Die Weiber keine Gebärmaschinen) sonst aber ruhig und viele Harmlose dabei. Die Läden geschlossen, bei uns im Stadtteil wie ausgestorben. Sekretär spricht mit einem Mann: nun, gegen die Geistlichen geht es ja nicht, aber nun, da die Großkopfigen Angst bekommen; Wir haben nichts zu verlieren. Ich soll es glauben, es soll der Frieden erzwungen und die nationale Verteidigung unmöglich gemacht werden. Aber niemand will ernstlich die nationale Verteidigung und der Waffenstillstand ist sicher auf dem Weg, am Abend kommt die Nachricht, die deutsche Delegation sei bereits nach der Westfront abgereist. Da schwenkte unter der Roten Fahne eine Soldatengruppe ab, „zu den Kasernen“ und diese Soldaten haben die Revolution gemacht. Sie stürmten die Kasernen, entwaffneten die Truppe, der sich alle anschlossen. Kein einziger dabei, der sich wehrt. Einige Offiziere sollen sich angeschlossen haben. Bewaffnet in die Stadt. Die Stimmung in den Kasernen war immer so. Hubert, gerade diese Tage eingezogen, einen Abend beurlaubt, sagt schon: Es sei schrecklich, sie erklären, sie würden nicht schießen, „wenn's nur einmal losginge“.

Nachts, 23.00 Uhr, beginnt der Lärm auf der Straße. Militär, bewaffnet, erst zu Fuß, allmählich mit Lastautos, die fortwährend mit furchtbarem Lärm herumrasen, mit Maschinengewehr ausgerüstet und die Bevölkerung bestürzen sollen. Die schrecklichste Nacht meines Lebens. Die Straßen wie am Tage belebt, alles in Aufregung. Um 1.30 Uhr vier Salven und das erste Maschinengewehrfeuer, der Bayerische Hof wird gestürmt, wo der Generalstab der Südarmee Krafft von Dellmensingen gefangen gehalten wird. Zwei Tote soll es gegeben haben. Die Leute stehen in Gruppen und schauen zu den Fenstern des Generals hinauf, Gott danken, daß der König fort ist .

Die Prannerstraße bei mir militärisch abgesperrt, weil die Abgeordnetenkammer besetzt und Ort der Beratungen wurde. Bei den ersten Schüssen der Soldaten .. Etwa 15.00 Uhr die erste Soldatengruppe zu Fuß mit der Roten Fahne und einer lauten Trommel, unter Gejohle – die auf den Wagen sind sehr ruhig und deshalb glaubte ich, bis früh 8.00 Uhr, es seien reguläre Truppen. Da kommt Hubert: Das ganze Militär ist übergegangen, jetzt auch auf den Wägen die Rote Fahne. Kahr mit Gewehr, unter einem Mann Begleitung wird er zur Kammer gefahren.