Adam StegerwaldParallelansicht ⇨
Gesprächsprotokoll, 30. August/11. November 1945

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Minister Stegerwald

1. September 45. Adelholzen. 16.00 - 18.00 Uhr, unangemeldet. Er: Will früheren Bürgermeister Löffler holen, gestern fünf Stunden Besprechung, heute morgen drei Stunden, heute abend wieder … Ich lasse ihn reden: Er sei plötzlich von Würzburg nach Frankfurt gerufen worden: Der mainfränkische Kreis sei der einzige, wo etwas geschehe: Der Lehrerbildungskurs (von Störmer, in Bildhausen kennengelernt, sollte sogar Kulturminister werden, meinte einer, er selber aber unmöglich), seine großartigen Reden, die in der ganzen Welt verbreitet werden und wofür er über alles gelobt wird. Er sei der einzige … in München geschehe nichts. Ich höre eine halbe Stunde zu. Dann die Krisis in München. Er: Decker nennt er nicht, wohl aber ich später (Mann wie Decker, der zwölf Jahre ein hartes Leben geführt, keiner kennt Universität so gut …), gegen Hipp drei Vorwürfe: 1) Er habe geduldet, daß die Jesuiten unter Tarnung Sportverein eine Schule errichtet hätten (ich erzähle später, was das war, mein Zusammenstoß mit Reese). 2) Die Universitätsprofessoren von Würzburg. Ebenso die Lehrer. Er mußte sie entlassen auf Befehl der Militärregierung von Würzburg - in was für eine Lage kommt er: Wenn jetzt auf Befehl der Militärregierung in München (aber es hätte nicht gleich eine Ministerkrise daraus werden müssen). 3) Die Militärregierung nicht rechtzeitig bekanntgegeben. Der erste Punkt ist neu. Man erklärte ihm: Die Lage in München sei unhaltbar: Daß Keegan überhaupt zurückkehrte - alles überrascht, er sei unmöglich, weil er nur der gehorsame Diener des Kardinals sei. Mit Ekkehart vielstündige Aussprache. Ich: Die Schule war bei uns fertig. Plötzlich Gegenarbeit. Natürlich: Die furchtbare Sitzung von Potsdam: Die Alliierten werden in allen kulturellen Fragen gemeinsam vorgehen. An diesem Satz werden wir alle zugrunde gehen. Wir wollten voranmachen und den anderen helfen, nun bleibt alles stehen. Die Zukunft? Jetzt gegen die katholischen Parteien, die es nicht gibt, jetzt wird Bayern in den Communismus getrieben, und dann gehen die Amerikaner davon und lassen uns im Chaos zurück. Der Drache zerstört alles Katholische … und was die Nationalsozialisten nicht erreicht, haben jetzt die amerikanischen Freimaurer vollendet.

Er: Zurzeit ist Schäffer wieder gesichert. In der Aussprache gegen Abend erwartete Stegerwald, daß er gefragt wird, ob Übernahme. - Er wurde nicht gefragt. Ich gebe auf solches keine Antwort.

[ ... ] unbekannt [ ... ] Fulda (den Namen Seldsat. nicht genannt) gegenüber: Wenn sie die fertigen Konkordate annehmen, Reichs- und Länderconkordate, beschweren sie sich hundertprozentig. Fünfstündige Sitzungen über jeden Konkordatsartikel. Das ist der Niederschlag eines Jahrhunderts ...

Ich: Zu Universitätsprofessoren: Wer die Professoren angestellt hat, hat das Recht sie zu lassen. Wenn die Amerikaner ein anderes Recht einführen, dann offen. Der Rücktritt von Hipp würde für uns eine Schwenkung bedeuten. Der Klerus wird es nicht einfach hinnehmen. Wir werden sammeln, was nationalsozialistisch ist: Die Kirchen im Aufbau zuletzt. Ist es euch überhaupt ernst mit der Ausrottung des Nationalsozialismus oder des Katholizismus? Aus dem kommunistischen Programm: Enteignung der „Grafen“ (also gegen Adel), Fürsten und Großbetriebe - „da sei es genommen“ - über Holland? - Er hatte dieses Programm „ideal“ genannt.

Er: Entweder christliches Deutschland oder communistisches Deutschland. Ich: Der Weg geht ins Chaos. Jetzt noch einige Zwischenstufen, dann aber Communismus, und dann ziehen sich die Amerikaner zurück. - Jetzt schon Flucht aus dem Heer.

In München geht nichts vorwärts. Die zentrale Verwaltung arbeitet, die Militärregierung schläft. - Keine responsability übernehmen. Grundsätzlich können wir in einem demokratischen Land nicht einfach hinnehmen: Der und der ist nicht mehr Minister. Das sind ja alles Zwischenentwürfe.

➥ Folio 173v

Er habe irgendwo, wohl Frankfurt, erklärt: Bayern sei an allem Schuld, weil es den Hitler damals wieder entlassen und nicht ausgewiesen hätte!

Er geht nach München zurück von Adelholzen und trägt unsere Aussprache brühwarm an die Regierung mit dem Schlagwort: Ich hätte gesagt: Wir seien vom Regen in die Traufe gekommen, was er auch dem Bischof von Würzburg schrieb! In seiner Rede, die ich Zinkl geliehen habe, kein Wort von einem Concordat.

11. November 45. Hier in München - meinen Brief offenbar noch nicht erhalten. Ich habe wenig geredet, außer am Schluß. Er redet in preußischem äh, äh, äh. Gestern abend lang bei Hoegner: Das Wort Trennung von Staat und Kirche hat Schrecken ausgelöst, sagt er, bei ihm nicht. Nun habe Hoegner ihm erklärt, er setze selbstverständlich Religion und besonders sittliche Besserung in Rechnung. Und wird niemanden verletzten. Die drei Erklärungen. - „Ich habe sie bereits", die dritte geht unter Stalins Führung: Befreiung der Religion von staatlichem Zwang. In Köln Adenauer und Fuchs entlassen, nicht weil sie zu langsam machten, wie Radio sagte, sondern weil sie de Gaulle folgten: Rheinstaat, wie es ja bereits sei. In Köln war Erzbischof Frings nicht zu Hause (!), er komme nächstens wieder hin - wollte offenbar von mir irgendeine Erklärung oder Empfehlung - ich schweige. Dort die Freunde: Stegerwald müsse absolut nach Köln kommen, ein englischer hoher Herr kam sofort, ihn zu sehen und zu sprechen. Wallberg - Wallfahrtsort der Privatiers, Pater Liesen wird von allen aufgesucht. Soeben eine neue Broschüre fertig: Wohin gehen wir. Den Kommunisten Schmitt hier in der Regierung habe er (Stegerwald) in die Regierung gebracht. Er habe ihn abgerufen in Würzburg und gesprochen … Er meint: Bekenntnisschule - faktisch würde sie in den Dörfern von selber kommen. - Ich: Das ist aber keine konfessionelle Schule, wenn nur das Kind, nicht der Lehrer katholisch ist. Er: Die christliche Einheitsschule sei auf dem Weg. Wollte kurz sein, bleibt aber über eine Stunde.

Am Schluß „noch ganz kurz“ wegen Bekenntnisschule und wegen Arbeitervereine: Jetzt der Emancipationskampf der Arbeiter, die Labourpartei beherrscht das britische Weltreich, in allen Ländern der Aufmarsch, die ganze Welt wendet sich, die Gewerkschaften … Da können die Arbeitervereine nicht mehr einen geistlichen Präses haben, höchstens einen Beirat. Die anderen Arbeiter sagen: Ihr seid wie der Jungfrauenverein oder ein Altmännerverein .. Ich: 1913 die katholischen Arbeitervereine verlangt, zur religiösen Ergänzung, also gerade durch den Geistlichen. Das andere müssen die Gewerkschaften machen. Er: Im Westen geschehe viel, aber nichts im Süden. Ich: Unsere süddeutschen Verbände unter Leopold Schwarz hatten Druckerei, Versorgungskassen, … Da brach er ab, ohne auch zu diesem zweiten Punkt mir eine Zusicherung abzunehmen.

➥ Folio 174

Vier Tage später, 5. September 1945. Ministerpräsident.

Zuerst das Werden der Lage, wobei er aber ἳππ unrecht gibt, weil er nichts mitteile, der Militärregierung nicht und auch ihm selber nicht. Zinkl hatte berichtet. D'Arms sei statt Rückkehr von Keegan wieder zurückgeschickt und habe ἳππ anerkannt. Heute das gerade Gegenteil, D'Arms der Leiter der Abteilung Religion and Education erklärt: Es sei alles entschieden. Eine ganz neue Militärregierung: Colonel Jackson, der Delegat des unbekannten Gouverneurs
Es ist vermutlich einer der vier von 1933 bis 1949 amtierenden Gouverneure des US-Bundesstaats Wyoming gemeint.
. Von Murphy nichts bekannt.

Stegerwald dazu. Bei Ministerpräsident, aber ohne klare Aussprache. Der vermutet, er sei hier gewesen, um den Posten eines Ministerpräsidenten zu übernehmen. Ich: Bei seinem Weggang: „Nun weiß ich, ich gehe zurück und bleibe in Würzburg.“ Stegerwald hat offenbar hier viel erzählt von unserer Unterredung. Er habe geäußert: „Ich habe erklärt, wir seien vom Regen in die Traufe gekommen.“ - Diese Redensart ist nicht gefallen. - Das nächste Mal.

Schäffer macht zuletzt lange Pausen: Entweder stehe ich am Schluß alleine - oder ich gehe gleich mit. Ich: „Die Flinte nicht so rasch ins Korn werfen.“ - Das Volk wird es sich nicht gefallen lassen. An Ekkehart hat er einige Fragen gestellt, jetzt aber doch aufgenommen unter Drittens.

11.9.45 kommt ἳππ abends zu mir. „Jetzt ist es soweit“, aus dem Ministerium entlassen. Betont sehr den Volksbund - diese vielen Vereine dürften nicht wieder kommen. Was die Sozialistenführer in Köln alles versprochen haben: Es war ein Unfug, die Polemik gegen Religion und Kirche. Wird noch vielen klar, daß wir Religion und Sitte ausschalten wollten.