Fuldaer Bischofskonferenz 1935Parallelansicht ⇨
Persönliche Reflexion, 19./23. August 1935

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Dieses Dokument ist in Teilen auch ediert in: Volk, Ludwig (Bearb.), Akten Kardinal Michael von Faulhabers 1917 - 1945. Bd. 2: 1935 - 1945, Mainz 1978, Nr. 490, S. 58-59, und Nr. 492, S. 61-63.
Natürlich damit zu rechnen, daß aus Entrüstung Concordat gekündigt wird. Zumal das Gerücht geht, es wird in Nürnberg geschehen. Da hat der Besuch von Ministerialrat Schlüter
Es dürfte sich um Johannes Schlüter handeln.
beruhigt.

Allgemein. Die Flut steigt. Jeder von uns erlebt neu am eigenen Leib. Und doch dürfen wir hier nicht in Casusistik fallen. Wie die Angriffe von einer Zentrale ausgehen, muß auch von hier eine gemeinsame Antwort kommen. Zuerst dachte ich an einen „Brief“, der rein persönlich und darum eher gelesen wird, dann aber doch eine Denkschrift mit dem gleichen Text. Natürlich einige Captationes benevolentiae. Was er für die Bauern tat, für den Frieden, fürs Reichskonkordat. Dagegen der Ausdruck aus der anderen Denkschrift nicht übernommen: Die göttliche Vorsehung habe ihm die Führerstellung im deutschen Volk anvertraut. Nur angenommen, weil Cardinal Bertram, der das ganze Jahr für uns arbeitet, Mitarbeit verlangen kann.

Omittitur: Er habe seinerzeit sich dagegen mit Entrüstung gewandt, als von Hostienschändung die Rede war - heute aber so viele gotteslästerliche Dinge im Dritten Reich.

Gröber hat das Zitat aus „Mein Kampf“ für die Religion sehr gut zusammengestellt in seinen Büchern Nationalkirche und Vaterlandsliebe.

Dann Entwurf vervielfältigt in allen Händen, am dritten Tag aber wieder eingesammelt, um ja keine Indiskretion fürchten zu müssen. Denn dann würde er vom Führer nicht mehr angenommen, wenn vorher in der Zeitung.

Von Pater Pacifico waren Winke gekommen, sogar gedruckt und einiges wieder ausgestrichen.

Eine Frau nach dem Verlesen des Hirtenbriefs: Tausendfach Dank. Was Hunderttausend Katholiken empfinden, haben die deutschen Katholiken ausgesprochen. Man darf wohl sagen, noch nie ist so viel für Papst, Bischöfe und Priester gebetet worden wie heute, und wenn heute einer geschmäht wird, gehen morgen Tausend zum Opfermahl und beten für den Geschmähten.

Bischof Meissen beantragte einen Fasttag zur Sünde für die Gotteslästerungen.
Fulda 1935 , Allgemein und Denkschrift Hirtenbrief separat

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➥ Seite 456

Die heiligen Schriften sollen nicht mehr gelten, weil sie aus dem Morgenland, also nicht arischer Herkunft seien und weil persönliche Erlebnisse, also Offenbarungen von Fleisch und Blut uns mehr zu sagen hätten als die alten Offenbarungen. Sogar die eingebürgerten Namen des christlichen Sprachgebrauchs, wie Sünde und Erlösung, Vollkommenheit und Gnade werden mit einem anderen Inhalt gefüllt und umgedeutet. In den Augen dieser Religionsstürmer ist die deutsche Geschichte seit - siehe Beilage. In dieser apokalyptischen Stunde geändert in „sehr ernsten, entscheidenden Stunde“. Ursprünglich eigentlich: Die katholische Weltanschauung, jetzt Steht fest im Glauben. Weltanschauung und Weltordnung siehe Beilage. „An den Klerus“ wurde aus der Predigt herausgenommen und in das Hirtenwort getrennt von Hirtenbrief eingearbeitet, ebenso die erste der drei Kampflosungen, also es sei alles politisches Machtstreben. Am längsten Aussprache über Jugend: Für dich sind die Zeiten eines Tarcisius und Pancratius gekommen. Gleich den jungen Männern jener Zeit nicht Gewalt gegen Gewalt setzen, sondern Selbstbeherrschung und Disciplin - gestrichen. Auch das gestrichen: Sich an die Verbote halten, gemeinsam zu wandern - das sei ein Naturrecht. Es müsse doch möglich sein, Frieden zu stiften und wir wären dazu bereit - vorausgesetzt, daß Gelegenheit zum Gottesdienst geboten würde - gestrichen. Ich hatte erwähnt: „Manche Lagerleitung habe es bei der Veranstaltung von Gottesdiensten an Entgegenkommen fehlen lassen. Es seien aber auch Fälle vorgekommen, daß die Lagerleitung für den Gottesdienst arbeitsfrei gab, die katholischen Insassen des Lagers aber nicht den Mut aufgebracht, sich zum Gottesdienst zu melden. Die katholische Jugend soll sich fügen - hier eingefügt, bis eine andere Regelung getroffen wird.

Hirtenbrief Fulda 1935 und Denkschrift

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Familien. Eingefügt ein Wort für die anderen katholischen Vereine. Die Mütter müssen für den Religionsunterricht geschult werden. Schon eine Stunde früher: Nach einem Kirchengesetz canon 1113 soll die Erziehung ein vierfaches Ziel haben: Eine religiöse und sittliche, eine körperliche und staatsbürgerliche Erziehung sein. Die Kirche hat also auch die körperliche Erziehung durch Spiel und Sport und vernünftige Körperpflege die die staatsbürgerliche Erziehung zur Einordnung in die Volksgemeinschaft in ihr Programm aufgenommen.

Erziehung

Schule Programm

Bei der Schule gestrichen: In der Gemeinschaftsschule werden wohl auch ein paar Religionsstunden gegeben, in den übrigen Stunden aber wird der Zwiespalt zwischen Elternhaus und Schule, zwischen Religionsunterricht und den anderen Unterrichtsfächern mehr geoffenbart werden, und da das Reichskonkordat zugleich Reichsgesetz ist, die Bekenntnisschule also auf reichsgesetzlichem Boden steht, kann es den Eltern nicht nachgetragen werden, wenn sie von diesem gestztlichen Recht Gebrauch machen, aber auch den Lehrkräften nicht als Staatsbeamte für diese durch Reichsgesetz geschützte Schulart einzutreten.

Reichsgesetzlichem Boden

Familien: Die Kirche hat den Eltern statushafte, priesterliche Rechte zuerkannt, insofern sie über die Frühkommunion ihrer Kinder zusammen mit dem Seelsorger beraten dürfen. Das Recht der Kirche auf erzieherische Mitarbeit in der Erziehung ist im Sakrament der Taufe verbrieft.. In diesem Sakrament der Wiedergeburt ist die Kirche die geistliche Mutter der Kinder geworden und hat damit die Pflicht übernommen, die Taufgnade in den Seelen zu hüten und, wenn sie verloren gingen, wiederherzustellen.



Am Schluss wurde nicht geändert. Nur dazugefügt: Dank dem Heiligen Vater. Und die Einmütigkeit der Bischöfe noch stark betont. Der Hirtenbrief auf der Konferenz um die Hälfte gekürzt (er hatte zwanzig Maschinenschriftseiten vorher).

Einmütigkeit der Bischöfe noch stärker betont.

Ein besonderes Wort an den Klerus hat für sich, daß die Gemeinde es hört - aber manche Mahnungen kann man doch nicht vor dem Volk geben.

So umfangreich, daß er auf einmal verlesen werden kann, also 11 Schriftseiten
Schlußgebet: Breslau meint die drei Ave nach der Messe - aber die sind bereits für Rußland bestimmt.

manche Mahnungen nicht vor dem Volk,

So umfangreich, daß er auf einmal verlesen werden kann, elf Schreibseiten.


➥ Seite 457

Die Konferenz wird zwei Schreiben erlassen, 1) Eine „Denkschrift“ (wie es jetzt heißen soll, statt Brief an den Führer) mit einem Begleitschreiben, worin auf die Hauptgedanken verwiesen und der Wille, die Denkschrift zu lesen, angereizt werden soll. Diese Denkschrift war mit wenig Aenderungen im Entwurf am ersten Vormittag in den Händen der Konferenzmitglieder. Auch an der Form der Denkschrift wurde ganz wenig geändert, dagegen auf meinen Antrag hin noch eingefügt: Abschnitt über den Eid, Klage über Staatspolizei, Abschnitt über Bekenntnisschule. Der Besuch von Schlüter und die neuen Aussichten - wenn die Friedenstaube kommt, sei sie aus der Ferne gegrüßt - haben, weil sie schon vorher in der ersten Sitzung ganz vorgelesen worden waren, auf die Fassung nicht den geringsten Einfluß ausgeübt. Aber auch wenn der Friede kommt, ist die Denkschrift ein Abschlusstrich nach der Vergangenheit, eine Urkunde, daß wir nicht geschwiegen haben, auch im Sinne der eingegangenen Winke. Corrigenda in den wieder eingesammelten Entwürfen wurden in meinen Entwurf eingearbeitet. Die Maschinenschreiber von Fulda haben diesen Text nicht zur Hand bekommen, auch nicht als am Schluß in meinem Zimmer mit viel Rauch etwa zwanzig Stück bei Sonne verbrannt wurden. Drei Stück hat Regens in Verwahr genommen. Ob nicht ein Vorwand gesucht wird, das Konkordat zu kündigen? Das Gerücht lautete vorher schon: In Nürnberg wird es gekündigt. Jetzt aber nach der Erklärung Schlüters nicht. Denkschrift an die Regierung wurde gesagt: Unmöglich die Denkschrift so umzuarbeiten, daß alles Persönliche heraus bleibt. Mir das Wichtigste: Ich darf das Konkordat nicht kündigen.

Fulda 1935 Schluß

Nachträglich eingearbeitet: Schule, Eid, Sterilisierung, Presse, der Erlaß jener Redaktoren ...

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2) Hirtenbrief: Der Entwurf, den nur fünf Herren in Händen hatten, am ersten Nachmittag vorgelesen von mir. „Viel zu lang, viel zu scharf, viel zu negativ.“ Exzellenzen Gröber und Ehrenfried verlangen energisch: Muß bedeutend gekürzt und versöhnlicher werden. Das ursprüngliche Thema „Die katholische Weltanschauung“ wurde umgeändert in Steht fest im Glauben ( Gröber), der Abschnitt über den Klerus kommt ins Amtsblatt, also ganze Seiten, fast die Hälfte gestrichen. Es war eine große Enttäuschung. Ich erkläre: Niemand kann beim Vorlesen mehr erschrocken sein als ich. Seit dem Diktieren hatte ich ihn nicht mehr gelesen. War zu rasch in den letzten Nächten (am Tag der Abreise bis 2.30 Uhr in der Früh) und zu nah mit der Denkschrift gearbeitet worden. Ich habe es nur übernommen, weil ich unserem Kardinal Bertram nicht nein sagen konnte. Das Wort Weltanschauung kommt überhaupt weg und ebenso alle Namen. Am zweiten Tag vervielfältigt auf dem Ordinariat. Allen Herren in die Hände gegeben. Und in der letzten Nacht bis 2.00 Uhr die Anträge eingearbeitet, zum Teil neu geschrieben besonders über die Jugend, auch die Mahnung an die HJ. Auf dem Ordinariat wurde leider statt der Einzelblätter das ganze nochmal geschrieben - also hatten sie die Matrizen zurückgehalten, das dauerte sehr lange bis 9.15 Uhr und machte Durcheinander. Am Freitag Vormittag 9.15 - 10.20 Uhr nochmal durchgenommen und jeder macht die Ergänzung, Änderung und Streichungen mit, - weil es viel wichtiger erscheint, daß die Bischöfe das Manuskript mit heimbringen, statt innerlich ganz vollkommen zu gestalten .

Ich halte es für unmöglich den Hirtenbrief so zu gestalten, daß er nicht verboten wird.

Responsum: Das Volk hat die Sonntagspresse unterstützt.

Die Schlußfrage: Wie in die Hand des Führers legen? Bischof Berlin? Noch nicht vereidigt und der Führer ist nicht in Berlin. Dann wird, weil er auf Obersalzberg ist, mir übertragen. - Durch Neuhäusler (unmöglich) oder einen anderen Herren. Sonntag Früh nach Rückkehr spreche ich bei Dauser vor, 10.00 Uhr, beim Herausgehen ein Auto mit Sa vorbei. Dann Brief unauffällig an alle Teilnehmer: Dokument bis Mittwoch oder spätestens Donnerstag ganz sicher unmittelbar eingehändigt. Vorher unmöglich, weil abwesend. Pastorale kann also Freitag versandt werden. Was tun, wenn Hirtenbrief zum Vorlesen verboten? Eine Broschüre daraus oder eine diplomatische Note. (Nachträglich neu eingearbeitet: Schule, Eid, Sterilisierung Presse ). Ein Stück Seite 22 daß geduldig in der Trübsal aus Versehen von der Stelle im Ordinariat übersehen, also weggelassen.


➥ Seite 458

Die neue Definition von Recht und Moral „Recht und sittlich ist, was dem Volke nützt“ kann ebenso leicht zur Rechtfertigung von Unrecht, zur Entschuldigung von unsittlichen Maßnahmen angewandt werden, wie zur Enteignung von Kirche und Klostergut, überhaupt zur Enteignung von Privatvermögen, in weiterer Folge zum Umsturz aller sittlichen Ordnung, oder wenn andere Völker den Rechtsgrundsatz übernehmen, zum ewigen Krieg des Starken gegen den Schwächeren.

Macht so die Bahn frei. Wenn die Katholiken nicht mehr unter sondern auf sich gestellt werden, in Freiheit nach ihrem Glauben leben dürfen, nicht mehr fürchten müssen, vor Gericht von einer Parteijustiz gerichtet zu werden. Umzüge der Sa mit Aufschrift: Pfaff und Jude.

Unsere Kirchen öffentliche Demonstrationen: Unsere Kirchen können wir doch nicht am Werktag einrollen, wie die Juden das Gotteszelt in der Wüste.

Von Schulräten der christliche Gruß in Versammlungen verspottet und von Gauleitern am Grab das Dogma vom Fegfeuer verzerrt und sonst das geflügelte Wort: Es sei gleich, ob man in den Himmel oder in die Hölle komme, ein Wort, das an das lästerliche Wort von Bebel erinnert: Den Himmel überlassen wir den Spatzen.

Die Bayerische Politische Polizei beschlagnahmt und verbietet Hefte unserer Schriftenreihe „Dem Glauben zur Wehr“ (6.6.35). Bücherpolizei: Wir bitten um Angabe der Gründe. Der Referent der Polizei antwortet: Wir können genaue Stellen nicht angeben, „wir beurteilen die Schriften nach ihrem Gesamteindruck.“ Dagegen Beschwerde des Ordinariats an das Innenministerium in München, 9.7.35. Keine Antwort.

Konfessionelle Absonderung? Es ist das oberflächliche Wort gefallen , es gebe keine katholische und keine evangelische Bauchwelle, eine Redensart ebenso sehr oberflächlich wie die andere, es gebe keine katholische und protestantische Kartoffel. Die Feldfüchte und Turnübungen sind nicht katholisch und nicht protestantisch, die aber welche, die Feldfrüchte pflanzen und die Übungen an den Turngeräten machen sind entweder Christen oder Heiden. Mit dem Hinweis auf die Volksgemeinschaft läßt sich alles begründen. Die Kommunisten haben seinerzeit auch die Aufhebung des Privateigentums, das Zusammenraffen des Volksvermögens in eine einzige Kasse und die Aufhebung der Einehe, die Einführung der Weibergemeinschaft mit dem Hinweis auf die vollendete Volksgemeinschaft begründet. Damit eine Entwicklung eingeleitet, die sich ebenso zum Schaden der staatlichen wie der kirchlichen Autorität auswirken wird. Ohne Gott entsteht in der Seele eine große Leere und ein brennendes Heimweh, ohne Gott werden die Lebenswerte entwertet.

Rasse: Die Kirche hat das Rassenbewußtsein und die Rassenforschung nicht verboten. Sie kann aber nicht ruhig zuschauen, wenn ein Rassenkult auf eine Vergötzung der Rasse hinausläuft. Die Kapläne sollten keine Politik machen.

1935 R

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➥ Seite 459

Nicht von der politischen Anerkennung oder Mitwirkung des Staates sprechen. Rosenberg nicht Wortführer des Heidentums, sondern des geistigen Kulturkampfes oder der widerchristlichen Weltanschauung. Seiten 8 - 10 und andere waren aus der Denkschrift, die Mai 35 von der Cölner Provinz ausgearbeitet, aber nicht abgeschickt worden war. Weissbuch 115 Seite 12. Seite 13 Gleichheit von ehelicher und außerehelicher Mutterschaft nach dem Textilarbeiter wurde wieder gestrichen, weil er später widerrufen hatte. Der Antrag, ein Wort für die viel geschmähten Jesuiten zu sagen ähnlich wie 1872 in der Denkschrift, nicht angenommen. Mein Antrag: Es müßte doch möglich sein, zwischen HJ und den katholischen Verbänden friedliche Zusammenarbeit zu stiften und damit das Tor zum Eintritt in die HJ aufzutun, wurde abgelehnt: Statt: wir können die Eltern nicht verpflichten + wir müssen sogar davor warnen.

Denkschrift R

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Die Einzelunterschrift wurde nicht gegeben, was für den Eindruck zu bedauern ist, wohl aber Auftrag, die einzelnen Namen darunter schreiben zu lassen. Neu eingefügt: Schule, Eid, Sterilisierung, Presse, Diktat der Staatspolizei. Fehlen zwei Quellenangaben: Für die Eingabe: Wie ich es auch mache, ist es nicht recht. Und: im Dritten Reich wird es eine uferlose Kritik nicht geben. Himmler hat Anteil Reichsführer.