Adolf WagnerParallelansicht ⇨
Gesprächsprotokoll, 28. Februar 1934

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Minister Wagner, 28. Februar 1934, 16.00 - 17.00 Uhr.

Ich ging zu Fuß in schwarzem Talar ohne Cingulum und langen Mantel durch das Thor bei der Theatinerkirche. Der Posten ist verständigt. Im Garten Stabsleiter Köglmeier, die Verbindung mit Neuhäusler. Im Vorzimmer ein Diener, der nicht grüßt. Im unmittelbaren Vorzimmer zwei Herren und eine Dame, die durch Handerhebung grüßen. Von Minister selber zuerst durch Handerheben, dann Händereichen. Ich danke für die [ ... ], es sei lange gewesen - er entschuldigt, er war vielfach unterwegs und krank.

Eine Bitte: Am Tag der Erstkommunion und Firmung haben wir sie bisher nachmittags gesammelt, um sie vom Wirtshaus wegzubringen, Theater oder Film - wir würden schmerzlich empfehlen. „Selbstverständlich“, sagt er, „das wird gemacht“ - ich übergebe es schriftlich. Es sind noch die Tage in München und außerhalb zu bezeichnen.

Leohaus auch schriftlich übergeben von Parsefal, bezeichnet sich als Beauftragter des Innenministeriums - verlangt von Schrallhammer sämtliche Adressen von den Vorständen, Hunderte und Hunderte - ich übergebe den Zettel. Dauert sehr lang und ist eine teure Sache aus den großen Scheinen der Arbeiter. Das ist Eingreifen in die schwebenden Verhandlungen. Er: „Das soll der jetzt bleiben lassen.“ Ich: Es wird ja alles nach Abschluß der Verhandlungen geordnet werden.

Jugendvereine: Ich habe längst vorgeschlagen: Alles, was Wehrsport ist, ist Sache des Staates, kann auch privat nicht getätigt werden, ist zu kostspielig. Er: Das ist mir neu, damit ist viel Widerspruch und Mißtrauen besiegt. Ich: Neben dem Wehrsport der Erholungssport oder Erziehungssport, also Wandern, Skifahren, Turnen.

Er: Drei Dinge lassen keine Ruhe kommen: Der Wehrsport, das Messer umgehangen , die Uniform. Ich: Das Erste ist erledigt. Das Zweite auch, Messer ist abgelegt. Uniform ist noch offen. Es gibt ein Mittelding zwischen der Uniform und Zivil. Einheitliche Kluft ist auch erzieherisch notwendig, es wird billiger und der soziale Unterschied zwischen reich und arm verschwindet. Er wird auf einmal zurückhaltend: Wäre es dann nicht möglich, daß wir eine einheitliche Jugend hätten? Die Verschiedenheit der Parteien habe ich zerschlagen. Wäre nicht das Concordat, würde ich es mit den Vereinen gerade so machen. Die Jugend gehört 1) der Familie, 2) der Schule, 3) der Kirche, 4) dem Staat zur staatspolitischen Erziehung, 5) sich selber. Sie muß auch eine Zeit für sich selber haben. Die vielen Klagen kommen daher, daß die Übungen in die Abende verlegt wurden (ich treffe nachts 24.00, 0.30 Uhr und habe sie schon mit der Peitsche auseinandergejagt) und auf den Sonntag, dann klagt die Kirche, wäre es nicht möglich auf einen Wochentag?, er denkt an den Samstag. Ich: Das ist die einzige Lösung. Wie bei der Balilla. Wenn der Mittwochnachmittag Schule ist, ist der Ausfall gar nicht so groß, nur ein halber Tag. Das Unterrichtsministerium sagt: Nicht bloß Wissensstoff aufhäufen, also ist die Stunde günstig. Dann auch nicht im Werktagskleid unter den Sonntagsmenschen. Würden Sie nicht nach Berlin in diesem Sinn sich wenden? Er: Ich habe es schon getan, mit dem Führer sogar gesprochen, es wäre für die Fortführung der Verhandlungen sehr wichtig. Er will es tun.

Die HJ sagt: Das ist unsere Uniform und jetzt kommen sie auch daher. Ich: Die Uniform ist genau italienisch, also nicht ursprünglich. Die anderen Vereine? Er: Sind ja zum Teil schon eingeschaltet. Ich: Lehrer, Studenten, - Gesellen? Dazu macht er ein Fragezeichen. Ich: Da könnte im Vorstand ein Nationalsozialist. Dann braucht es keine Überwachung. Arbeitervereine ? Er: Die sollen in die Arbeitsfront. Ich: Das ist schwer, weil sie dort ihre Versicherungen haben. Er: Das kennt der Dauser besser. Überhaupt beginnt er müde und stiller zu werden, begleitet bis zur zweiten Tür: Hand und er Heil Hitler. Köglmaier begleitet bis in den Hof.

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Er läßt das Wort fallen: Die Jugendverbände auflösen. Ich: Die religiöse Erziehung erreicht den Einzelnen schwerer als die Verbände. Er: Wir in Lothringen hätten keine Verbände, am Montag fragte der Religionslehrer: Waren Sie in der Kirche? Ich: Für die gemeinsame Kommunion ist es leichter mit dem Verband, aber nicht bloß für die Kirche. Für Theater, Turnen, überhaupt die Jugend von der Gasse wegbringen.

Er: Sie brauchen keine Verbände, um die Jugend in die Kirche zu bringen, das muß in der religiösen Erziehung. Ich: Wir haben nicht die Zwangsmittel der Staatsjugend. Er:Der Staat wird dafür sorgen, daß sie ebenso gut in die Kirche gehen wie in die Schule. Ich: Das wird der Staat nicht übernehmen.

Ich: Ich habe nach Rom berichtet, daß wir auf den Wehrsport verzichten - Ich: Als Gebetvereine rein innerkirchlich würden unsere Verbände doch weiter bestehen. Aber Gebet innerhalb der Kirche ist nicht genügend für religiöse Erziehung nach heutigem Begriff. Also Sport und Spiel, nicht bloß im Saal Lieder singen und Theaterspielen. Sie können uns doch nicht unsere Turngeräte und Spielplätze wegnehmen. Wir sind bereit, in den Vereinshäusern einen Vertrag zu schließen und außerdem der HJ zur Verfügung zu stellen. Wenn unsere Jugend bei der HJ mitmacht, kommt ein gutes Element hinein, Ehrgeiz wird geweckt. Zwei Phasen: Zuerst sehr beredt und entgegenkommend, bis ich erwähnte: Ich hätte wegen Wehrsport in Rom dafür die Concordatsverhandlungen geschrieben - dann wird er still und erklärt: Sind denn die Jugendvereine überhaupt notwendig?