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Gesprächsprotokoll, 5./22. Januar 1935

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Sprechchöre

Sie sind 1) Ausdruck der Gemeinschaft zwischen Volk und Priester. Der Gedanke der Gemeinschaft liegt in der Luft und wird hier ins Heiligtum getragen. Presbyterium und Kanzel bleiben dem Priester, das Volk aber drängt bis an die Stufen des Presbyteriums. Architektonisch der gleiche Gedanke darin ausgesprochen, daß keine dicke Säule und Pfeiler, sondern alles Ausblick nach dem Hochaltar.

1) Activierung der Volksandacht. Aktion, Mitarbeit in der Seelsorge.

2) Die Aktion in der Liturgie. Teilnahme am Apostolat muß mit der Teilnahme am Gebetsapostolat beginnen. Nicht passiv in den Stühlen hocken, Holz für Holz, sondern mitbeten, auch mitschreien clamor meus ad te veniat. Das Volk beiziehen, nicht um zu predigen oder die Worte der Wandlung mitzusprechen, wohl aber um mitzubeten. In den alten Litaneien und Responsorien ist der Grundsatz längst anerkannt von der Kirche.

3) Zeitbedeutung. Die Jugend außerhalb der Kirche in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sei am Ende [ ... ] noch mehr eingeschränkt. Dann sollen sie wenigstens in der Kirche selber reden dürfen, selber ihre Seele hinausrufen dürfen. Für das schwer unterbundene Vereinsleben einen Ersatz schaffen. Sogar Theater verboten.

4) Auch eine jugend= und volkserzieherische Bedeutung. Unser Volk kann nicht sprechen, es macht den Mund nicht auf, es macht keinen Unterschied, ob man spricht, du Mächtiger, oder du Heiliger, oder du Glücklicher. Zu begrüßen, wenn die Jugend sprechen lernt.

Die Kirche ist kein Theater. Nein, das ist sie nicht und darf sie nicht werden. Also alles Schauspielern, alles, was so wie im Theater ist, die Kostümierung der Gedanken, das einstudierte vorgetragene Gebet soll die innere Andacht anregen, nicht erschlagen. Die Kirche ist ein Bethaus und soll es bleiben.

Hauptgründe: Activierung der Volksandacht. Liturgische Belebung der Jugend.

Formales: Die Wiederholung der einzelnen Zeilen ist in der Liturgie nichts ungewöhnliches. Im Meßbuch bringt das Graduale oft den gleichen Text wie am Anfang der Introitus. Im Brevier von den Responsorien die gleiche Zeile mehrmals wiederholt. Psychologisch wird dadurch der Gedanke oder das Gebet vertieft. Also ein Übergang zur Betrachtung.

➥ Folio 7r

Nicht überschneiden: Der Sprechchor soll in jenen Pfarreien, in denen etwa nach den Ausgaben von Klosterneuburg liturgisches Leben sei, dieses liturgische Leben nicht stören. Dort, wo Choral, also benediktinisch.

Dagegen: Kardinal Schulte, wahrscheinlich weil er mit dem Christusspiel zusammen warf, Weinrich. In München Hugo Lang, weil nicht benediktinischer Chor. Bischof von Limburg, das Diözesangesangbuch wird vernachlässigt.

Schöpf hat es ausgezeichnet gemacht in Sankt Michael, aber vor lauter Kunst war das Volk ausgeschaltet. Das Ziel nicht der Kunstchor, sondern der Volkschor. Es kann einmal ein Chor auf der Empore, wie Schöpf will, aber im Allgemeinen unten im Volk, ohne dass man den Dirigenten sieht. Vielleicht in den Bänken drin, also das Einschulen gut, damit diese Stimmen führen - sonst aber das Volk.

Die neue Gebetsweise soll und darf den Choral nicht verdrängen. Gerade in der letzten Zeit einige Pfarrer in der Einführung und Schulung des Chorals. Wenn daneben Choral gepflegt wird, für andere Tage und andere Gottesdienste, gut, denn kein Gegensatz. Der Gedanke der Gemeinschaft - im Volkschor, nicht im Kunstchor.

Mit Schöpf, 7.1.35 : Die Gedanken wie vorher. Er klagt am meisten, daß sein Chor in Sankt Michael nicht stabil gewesen sei. Viele, die zuerst begeistert waren, sind dann weggeblieben. Ich sage ihm: Das Volk war nicht dabei. Er hatte gar noch den Text geändert, da beteten die Leute nicht mehr mit. Ich: Kann eine Erziehung des Volkes zur Liturgie werden: Die Wiederholung der Sätze soll eine Vertiefung der Andacht, eine Steigerung des Affekts bringen. Sogar eine Erziehung des Klerus für bessere Aussprache der Gebete überhaupt. Er: Unverantwortlich was darin gesündigt wird. Protestanten kommen aus der Kirche und schütteln den Kopf. Sie hatten kein Wort verstanden. Er selber betont, nicht eine Aussprache wie im Theater, die sprechtechnische Schulung durch einen Schauspieler nütze nichts, es ist eine eigene Aussprache im Gebet. Das Wort Gott, was ist das für ein Wort! Er bittet, ob er nicht in Traunstein oder Freising an die künftigen Priester herankommen könne? Ja (für seine persönlichen Auslagen 500). Die vom Chor in Sankt Michael kommen auch deshalb nicht mehr, weil zu weit her und Trambahnauslagen - dafür 300. Es wird kein „Machtwort“ gesprochen, die Pfarrer müssen eine gewisse Freiheit haben.

Brief an Schöpf 22.1.35

Nicht von mir ein Machtwort. In dubiis libertas. Aber auch kein Veto, ohne sich diese neue Form angesehen zu haben. Eine Reform soll es nicht sein.