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Sebastian SchröckerParallelansicht ⇨
Gesprächsprotokoll, 3. Januar und 14. Februar 1938

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Dr. Schröcker.

3.1.38. Zwei Stunden. Ich habe Sie gerufen, weil es sich doch einmal entscheiden muß, wie sich Ihre Zukunft gestaltet. Nach der Promotionsordnung muß der Dr. theol. wenigstens Subdiakon sein, der Dozent also Priester. Nicht bloß Theologe, wenn man in die Theologische Fakultät eintritt, sondern Priester.

Kirchenbegriff. Offenbar hatte er das erwartet. Seine Habilitationsschrift weist nach, der Begriff der Kirchenanstalt kommt von den Protestanten, erst im letzten Jahrhundert entstanden. Wir müßten also zurückkehren zum dogmatischen Kirchenbegriff Corpus Christi. Auch die Definition Gesellschaft aus der Aufklärungszeit. Ich: Leo XIII. habe selber die Kirche als vollkommene Gesellschaft definiert. Er: In einer Fußnote seines Buches das berührt. Ich: Mit der Unterscheidung der aszetischen Schriftsteller nichts zu tun? Ohne Lippert zu kennen. Nein, er kenne die Aszetiker gar nicht, er bleibe bei der wissenschaftlichen Grundlage. Er sollte ihnen einen positiven Vorschlag machen. Das könne er nicht, da müßte man erst die Theologen des Mittelalters studieren. Er gebe bald noch ein paar Seiten Erklärung, die nicht mitgedruckt wurden.

Eichmann. Zuerst war er der Schüler von ihm. Hat bei der Habilitation noch sehr freundlich vor allen: Hoffentlich sind Sie nun bald auf dem Platz, auf den Sie gehören. Dann aber ganz umgestellt gehabt. Ich: Sie sind empfindlich, bilden Sie sich das vielleicht nur ein? Nein, er wollte ihn gegen die anderen Professoren einnehmen, die seien ihm nicht wohlgesinnt. Wirft ihm Wortbruch vor. - Ich: Darüber wollen wir nicht sprechen, er wollte ihn jetzt besuchen, aber Eichmann verlangt erst Erklärungen, bevor er sein Haus betritt...

Seine Weihen. Er hatte eigenes Zimmer, arbeitete sehr viel nach dem juristischen Doktor, hatte niemals mit dem Klerus viel Beziehung, heute gar keine mehr. Ich: Vor der Weihe Bedenken? Ja, erzählt genau, er wäre nicht gegangen, aber Westermayr sagte ihm wie einem Skrupulanten, ich befehle es Ihnen, es genügt die körperliche Anwesenheit. Man hielt alles für Übermüdungserscheinung. Man holte ihn zur Weihe auf dem Zimmer ab. Er wußte nicht, was er unterschrieb. Respondeo: Um die Weihe ungültig zu erklären, ist kein Grund, noch weniger würde das Sanctum Officium von der Pflicht des Priesters dispensieren. Er sieht auch keinen Grund, für ungültig zu erklären.

Nach der Weihe und Ordination. In den Ferien in Nymphenburg. Da hätte er jeden Tag celebriert. Einige Zeit Aushilfe im Albertinum, dann in Planegg, wo es ihm am besten gefiel und er Seelsorge hatte (niemand konnte sich beklagen, jede Stunde der Nacht gearbeitet), warum von dort weg, darüber erbittert. In Haar hätte er nicht bleiben können, Tischgeld ging als Fahrgeld auf. Dann beim Generalvicar und noch einem Herren: Das ging ungut aus, und er nahm Urlaub - seitdem mehr als vier Jahre. Heute Viceschriftleiter einer juristischen Zeitschrift, canonische Abteilung: Große Korrespondenz, auch in Fremdsprachen.

Jurist: Jetzt in Tännich im Lager mit einigen anderen, hatte dort Vortrag über Staat und Kirche, rein geschichtlich.

➥ Folio 3v

Ohne auf die heutigen Verhältnisse zu kommen. Die Prüfung Summa cum laude, die erste Staatsprüfung als der zweite in Bayern, im April die zweite. Dafür sollte er sich nicht wieder überarbeiten. Nicht krank sein, bis der tägliche Beruf beginnt. Würde er es übel nehmen, wenn ich ihm die wirtschaftliche Sorge erleichtern wollte - mit der Entscheidung hat das nichts zu tun. Er zuckt, sein Vater arbeite noch mit 73 Jahren, er selber habe keine Geschenke angenommen. Trecento, er zieht zuerst die Hand zurück. Es war eine Pause, weil ich im Vorzimmer bei Zinkl.

Zwei Fragen: 1) Um in die Theologische Fakultät einzutreten, muß man Theologe sein. Nicht Jurist. Ich habe selber erlebt: Weil ich nicht Philologe werden wollte, von Scholz nicht angenommen. Man kann also die Canones nicht genau so wie Staatsgesetze erklären. Er stimmt zu: Diese trockene juristische Herzählerei.

Ob er nicht in die Juristische Fakultät will? Darüber erschrocken. Er komme als Priester niemals dort unter und müßte natürlich für die Partei sprechen. Also ohne Christentum. Er habe immer das Ziel gehabt, Priester zu werden.

2) Schon immer und heute noch mehr muß der Theologe auf dem Lehrstuhl Priester sein, Erzieher, nicht bloß Theologe als Wissenschaftler. Priesterliche Wärme muß von ihm ausgehen. Das fühlen die Hörer. Die müssen warm werden, sonst erliegen sie den Schwierigkeiten in der Einsamkeit des Berufes, und dafür muß auch der Kirchenrechtler arbeiten. Ob diese priesterliche Einstellung bei ihm vorhanden sei? Vom Brevier spricht er nicht: Die heilige Messe, er habe schon nach der Weihe nicht täglich celebriert. Das sei nicht Vorschrift. Ich: Nein, nicht Vorschrift, aber so wesentlich mit der priesterlichen Auffassung, mit dem Unum petii. Hieronymus habe auch nicht jeden Tag celebriert. Ich: Petrus sei auch nicht coelibatär gewesen. Warum nicht täglich celebrieren? Er sei Vormittag so müde und einer Arbeit unfähig. Er will nicht heucheln, er sei ehrlich und nicht nur deshalb an den Altar gehen, damit es nicht auffalle, wie ein Jugenderzieher tue. Er merkt, daß ich Bedenken trage? Wie soll dann seine Zukunft werden? Könne er nicht Schriftleiter der Zeitschrift bleiben? Nein, würde auch wirtschaftlich nicht reichen, die Stellung sei unsicher. In die Seelsorge? Früher ja. Er bestätigt: Er wurde bereits aus dem Erziehungsministerium gefragt, ob er dort eintreten wolle, aber natürlich ganz für den heutigen Staat. Er habe geantwortet: Er werde nach seinem Gewissen handeln. (Diese Stellung scheint ihm noch offenzustehen). Er weiß, daß in den Ministerien verschiedene Geistliche sind.

Heute nicht Ja und nicht Nein. Ob er nicht, was wir heute besprechen, mit Grabmann besprechen will. Er: Lieber mit Zellinger, dem Dekan. Nein, es fragt sich, ob er dogmatisch auf dem rechten Weg sei, also Grabmann. Er will es tun.

Dann hätte man ihm zur Weihe nicht zureden sollen. Ich: Den Eindruck habe ich auch. Aber er ist jetzt geweiht. In die Absage komme aber nicht hinein „aus moralischen Bedenken“? Nein.

Eichmann sei umgestanden, weil er selber den Begriff der Anstalt in seinem Kirchenrecht habe.

➥ Folio 4r

Soll zwei Monate ganz aussetzen, dann Exercitien machen. - Ich würde also die Entscheidung hinausschieben. Er: Im April die zweite Prüfung, also vor Herbst käme eine Tätigkeit nicht in Frage.

Dagegen: 1) Seit vier Jahren beurlaubt. Er celebriert an den Sonntagen.

Dafür: 1) Nicht dogmatische Bedenken, nicht moralische Anklagen. Sein Kirchenbegriff: Nicht für die Rechtsanstalt, sondern dagegen, er will einen mehr dogmatischen Begriff (corpus). 2) Besser als Barion, ohne Zweifel. An die Partei ist er nicht verkauft. 3) Wenn nicht, dann ins Erziehungsministerium einberufen und dort 100 Prozent für den heutigen Staat.

Responsum: Auch später die Missio canonica zurücknehmen und den Theologen verbieten. Es ist also mit dem Ja nicht alles gesichert.

Aussprache 14.2.38. 12.00 - 14.00 Uhr. Ich dachte, die Sache dilatorisch zu behandeln, und wollte erst im Juni meine Erklärung abgeben. Ministerium will aber jetzt eine Antwort haben, hat ein Recht dazu. Verschiedenartige Wege: Jetzt fürs zweite Examen tief in der Arbeit, hat selbst erklärt, erst im Herbst in Frage, ich wollte Ihnen Zeit geben, mir die Voraussetzung zu einem Ja zu geben.

Inzwischen mit mehreren Herren gesprochen, sind alle der Auffassung: Die Pflichten eines Priesters werden nicht alle erfüllt. Wegen Coelibat auf Ihren Wunsch eigens geschrieben, darüber keine Klage, aber die mit Subdiakonat und Priesterweihe übernommene Pflicht nicht erfüllt.

➥ Folio 4v

Grabmann sei rein wissenschaftlich, begreife die Kirche als Anstalt. Die Verantwortung trage ich ganz allein. Heute einen Unterschied in foro interno, ob man einmal Brevier nicht betet … dagegen die Frage, ob man grundsätzlich die Verpflichtung zum Brevier ablehnt, ist Sache des Forum externum. Also drei Fragen: 1) Heilige Messe. Er habe kein Bedürfnis (also fehlt der priesterliche Geist, die Einschätzung der Messe als Sühnemesse …), er wird in der Sakristei beobachtet und von den Herren ausgefragt (soll dem Pfarrer erklären und Antwort ablehnen), an den letzten Sonntagen nicht celebriert, hierin hat sich nichts geändert. 2) Brevier - ob ich das von Freising wisse? Nein. Sein Beichtvater sei damit einverstanden, er habe psychisches Hemmnis. Ohne Zusammenhang mit dem Brief, der von Mechanismen spreche, von vielem Herumblättern …. Nein. Er betet nicht regelmäßig Brevier. 3) Exercitien: Alle drei Jahre Vorschrift, für die ersten Priesterjahre. Zweimal Exercitien gemacht, einmal bei Weltleuten, einmal bei Priestern, seien auf seine Schwierigkeiten nicht eingegangen. Spricht von seinem Beichtvater, also Beichte.

Ergo: Für mich bleiben die Bedenken. Artikel 19: das Verhältnis von Theologie zur kirchlichen Behörde: „Beachtung der einschlägigen kirchlichen Vorschrift.“ Sie halten sich nicht an die kirchliche Vorschrift. Ob Ministerium die Antwort als nicht endgültig betrachtet und im Herbst noch einmal fragt, was unwahrscheinlich, oder als endgültig und später, vielleicht 1939, noch einmal fragt, würden Sie mir dann die Unterlage geben, also Messe, Brevier, Exercitien. - Zuerst sagt er bestimmt Ja, später wiederholt er: Er könne erst nach der Prüfung ein Ja oder Nein geben.

Es sei doch ein innerer Widerspruch, eine Unaufrichtigkeit gegen sich selber, die Pflicht nicht erfüllen und die Canones vortragen. Er: Kein Widerspruch, weil er die Verpflichtung nicht anerkennt, wohl die äußere Handlung gesetzt (zum Subdiakonat gegangen), aber keine Verpflichtung übernommen. Die aequitas canonica besteht doch. Ich: Solche Vorlesungen könnten viele Durcheinander bringen, auch in Bezug auf den Coelibat.

Warum nicht auf dem Ordinariat? Er gehe nur, wenn er gerufen werde. Ich: Doch sich einmal vorstellen, wie in der Constitution vorgeschrieben jetzt. Der Generalvicar früher: Wenn er ein frommer Mensch sei, könne er auch so Dozent werden - als ich darauf fußte, nimmt er halb zurück. Scharnagl öfter aufgesucht, hätte kein Hindernis gesehen (aber in der Besprechung meiner Meinung). Er sei hart im Urteil und nicht kollegial. Er: Betreffe nur Eichmann, wollte noch einmal alles vortragen, ich lehne ab, ich müßte auch die andere Seite hören.

Hatte zum Anfang den Ring nicht mehr geküßt, auch zum Abschied kühl. An der Türe: Er habe das Nein der Kirche erwartet, schon vor zwei Jahren hätten einige gegen ihn gearbeitet, wahrscheinlich auch bei mir (ich habe nur mit Buchwieser, Domdekan, Westermayr, Grabmann gesprochen), von niemand sonst etwas gehört, auch nicht von Weißthanner (den er für seinen Feind hält, der habe nicht einmal die Antwort geschrieben, sondern meine Schwester). Ich glaubte, es sei alles in Ordnung, bei den Studien beurlaubt, nichts gehört gegen ihn. An der Türe weiter: Wie in der Zukunft? 1) Neue Anfrage für die Juristische Fakultät. Er glaubt, er wird beobachtet, erst auch als Theologe. Kirchenrecht könne er nicht lesen, weil ewig Dozent. Ich: Verstehe das, nicht ewig Dozent.
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