Tagebucheintrag vom 27. November 1934Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10016, Seite 10-11

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Dienstag, 27. November. In Berlin redet man viel von Krieg, in Paris hat der Kriegsminister durch seine Rede über die deutsche Aufrüstung aufgereizt und heute abend sogar Heß: Man spreche in Frankreich von einem drohenden Krieg.

Fortis: Domdekan Reichersberger wolle sein Sonntagsblatt nicht hergeben. Es ist aber die Linie, neben den Tageszeitungen Bistumsblätter herauszugeben. - Ob ich nicht Einfluß nehmen könne? Höchstens durch Fritz, weil Reichersberger zugleich Caritasdirektor. Der Bischof dort habe nichts erreicht.

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Fräulein Stempfle: Sie hatte um eine Audienz gebeten und war beleidigt, daß geschrieben wurde „Wenn es nichts Politisches oder Geldliches wäre“. Sie setzt voraus, daß ich die ganze Sache schon wüßte und ich höre den Namen zum ersten Mal. Ihr Bruder, in Rom Hieronymit bis zum Krieg, dann hier in der Politik und Zeitung, besonders Miesbach und 1. Juli getötet. Polizei immer höflich: Man wollte ihr die Urne aushändigen. Sie glaubt, er sei nicht tot und wird gefangengehalten, um aus ihm herauszubringen, was er nicht geschrieben hatte, sie selber hat sechs Kisten erhalten. Einmal glaubte sie, an der Türe horchend die Stimme ihres Bruders zu hören - ich suche, ihr das auszureden. War Erzieherin in Italien. Beim Statthalter: Sie bettle nicht, sie kämpfe um ihr Recht. 50 M. nimmt sie schwer und will zurückgeben, wenn sie die Rente erhält. Bleibt eineinviertel Stunden. Warum sie hierher kam, nicht recht klar.

15.00 Uhr Schmidt-Pauli, sehr kurz. Stadtpfarrer von Sankt Paul ihr größter Gegner, hält die Jugend zurück von den Sprechchören. Brief von Bares über ihr Weihnachtsbuch.

15.45 Uhr im Ostfriedhof Beerdigung von Oberstudienrat Schmitzberger, 61 Jahre alt. Stadtpfarrer von Haidhausen beerdigt, die Schwester dabei. Der Rector des Wilhelmgymnasiums spricht sehr mittelbar, besorgt, das Wort Gottes ja nicht zu nennen. Beim Weggehen finden wir die Ausgangstüre nicht.

18.00 Uhr Dr. Wolfrats - Pfarrer von Sankt Martin ist bereit, die Diakoninnen zu führen, wolle aber hierher kommen.