Tagebucheintrag vom 15. Juni 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 94-95

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15. Juni: Aus Wasserburg schreibt die Oberin Melitone: Auf die Firmfeier und auf meinen Besuch in der Staatserziehungsanstalt hätten sich sogleich zwei Knaben gemeldet mit der Bitte, Priester zu werden.

Pater Löhr schreibt, der König sei von Liechtenstein aus in Feldkirch, und hätte geäußert: „Ich bin ein toter Mann. Ich wünsche Ihnen alles Gute, aber nach den Fürsten kommen die Geistlichen dran.“ „Wir sind schon immer dran“, antwortete man ihm. Befremdet hat seine Frage: Wie oft kommunizieren die Zöglinge? „Einmal im Jahr, weiß ich, ist Vorschrift“.

Pater Ehrle S.J.: Es soll ein deutsches Forschungsinstitut für Völkerkunde gegründet werden - Priestergelehrte legen ihre Bibliotheken und Sammlungen zusammen. Die Akademie freilich nicht davon erbaut, weil Professor Kuhn und Schermann dagegen sind. Ob Lehmann einmal zu mir kommen könne? Ja, wenn ich keine finanziellen und wissenschaftlichen Verpflichtungen damit übernehme und das Missionsinstitut davon nicht gestört wird.



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Die Gebrüder Seibold: Der eine hier beim zeitfreiwilligen Korps, mit den entlassenen norddeutschen Studenten, ein prächtiger Mensch, der andere ein Schneider, eben aus der englischen Gefangenschaft zurückgekommen. Erhält 5 M und das Buch von Emilia Giehrl Erinnerungen und jeder vier Zigarren.

Gräfin Seinsheim: Bis morgen Nachmittag kann ich Nachricht schicken in die Schweiz nach Zizers.

Geistlicher Rat Sturm: Die Zeichen der Zeit stehen auf Sturm. Bei der nächsten Revolution werde viel Blut fließen, aber er wird bald wieder weg gehen. Heim sei zu feige und habe sich die ganze Zeit verborgen. Auf Hoffmanns Kopf sei bereits Preis gesetzt, seine Regierung werde bald gestürzt. Warum die Pfarreien nicht besetzt würden, das wolle er nicht verstehen. Warum kein Standesverein .

12.30 Uhr Wahl für Kreis- und Stadtrat (Knilling).

15.00 Uhr, Marie Fitz - aus der Schweiz zurück, bringt Manuskript von Pater Coelestin und Schokolade siehe besonders.

Landgraf: Ob er die Stelle als Gemeindebevollmächtigter einnehmen soll? - Ja und warum. Er wolle dafür seine Stunden in Pasing, Lehrerbildungsanstalt aufgeben. Bittet, daß er die 11.00 Uhr-Messe nicht mehr lesen muß, mit der Predigt.