Tagebucheintrag vom 16. April 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 76-77

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Mittwoch, 16. April in der „stillen Woche“ früh 4.00 Uhr wieder Sturmläuten. Eine Truppe bewaffneter Arbeiter in Zivil zieht durch die Lindwurmstraße, sonst aber sind wohl nicht alle zum Sturm angetreten. Die Züge rollen von Südbahnhof nach Westen.

Zur Trauermette gehe ich heim und in den Dom. Die guten Leute stehen grüßend und ernst beim Ausgang und warten und wollen sehen, ob der Oberhirte wirklich noch lebt. Auf dem Heimweg aus der Katakombe stehen überall Gruppen zusammen, mit der roten Armbinde, aber alle sehr ernst und fast gedrückt, schweigsam lassen sie die Köpfe hängen. Reiterpatrouille kommt vom Westen, Arbeiter mit Gewehr laufen durch die Gassen, ich komme ungestört heim. Trauermette fällt aus: Als ich in die Sakristei komme, wird erzählt: Flieger haben Zettel abgeworfen und erklärt, wenn die Rote Garde sich nicht ergebe, wird München heute noch beschossen. Bis 16.00 Uhr müssen die Straßen alle geräumt sein und manche Herren haben weit her. Die Lage ist ernst wie nie, weil der Hunger vor der Stadt steht, wenn die Bauern nicht mehr liefern. Zeitungen erscheinen nicht mehr, nur die Mitteilungen des Vollzugsrates werden unentgeltlich abgegeben. Wir beraten, daß im Notfall morgen die Ölweihe in der Sakristei sei.

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Ein Herr kommt ins Haus: Bezirkspräses Lohr sei als Geisel festgenommen worden, ich soll auf der Hut sein. Wenn nur einmal der Gründonnerstag vorbei wäre, dann dürfen sie kommen.