Tagebucheintrag vom 13. April 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 74-75

Sonntag, 13. April, Presbyterat an Sieben. 8.00 - 10.30 Uhr. Der Dom sehr stark besucht, weil wichtiger Tag, besonders für Männer auch von der roten Garde sind da. Nachher Vorstellung der Geweihten.

Gräfin Spreti mit ihrem Sohn (in der ersten Klasse in Scheyern) war zur Priesterweihe hergekommen.

Vorstandschaft des katholischen Arbeitervereins, der sich über Holzhey neu beklagt, er sei das große Hemmnis, und das Versprechen geben, den Verein ohne ihn wieder auf die Höhe zu bringen.

Frau Oberstabsarzt Winkler, deren Neffe heute geweiht wurde (ihr einziger Sohn gestorben als Arzt in Mars-la-Tours).

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Palmsonntag 13. April, Nach der Priesterweihe im Dom, während ich im Vorzimmer mit Geistlichem Rat auf die Vorstandschaft vom Katholischen Arbeiterverein warte, kommt Sekretär: Gruber wäre in Zivil auf dem Rad hierher gefahren und meldet, heute Nacht 24.00 Uhr seien zwölf Revolutionäre im Haus gewesen und nach mir gefragt. „Das sind schöne Räume, da können wir gleich da bleiben“, im Schlafzimmer alles durchsucht und durchwühlt, Briefe mitgenommen, weil sie „von Offizier“ seien. Sie seien gekommen, „den Herrn Faulhaber aus dem Nest zu holen.“ „Aber Exzellenz ist nicht da“, „es gibt keine Exzellenz, es gibt nur einen Herrn Faulhaber“. Ich wollte Mittag nach München zurückfahren, weil morgen Beisetzung von Abt Danner. Die Herren dringen darauf, daß ich hier bleibe und sogar nachts in einem anderen Haus bleiben soll. Sekretär geht nach München. Gestern habe ich zu den Diakonen von der Gnade des Martyriums gesprochen, die über dem heiligen Stephanus den Himmel öffnet, und heute Morgen nach der heiligen Kommunion habe ich gebetet: „Herr, laß mich als Martyrer sterben und sei bei mir in der letzten Stunde “.

Die Herren vom Seminar und besonders Prälat Hartl sind sehr besorgt, und auf ihr Zureden - magis solacium vivorum quam mortuorum - ziehe ich abends 19.15 Uhr einsam, so wie David über den Kidron ging, ins Knabenseminar in das Zimmer von Präfekt Mayer im obersten Turmzimmer, wo nachts der Sturm heult. Das erwartete Telegramm bleibt aus, weil aller Postverkehr mit München gesperrt ist.