Tagebucheintrag vom 5. März 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 59

5. März, Aschermittwoch, ohne Dienst im Dom. Der 50. Geburtstag, den man nicht anders als mit dem 50. Psalm, dem Miserere, feiern sollte, - der Aschentag ist just der rechte Tag. Leider war es in die Zeitungen gekommen.

10.00 - 12.30 Uhr Sitzung im Ordinariat: Die Straßen bereits abgesperrt, weil Rätekongreß. Monsignore Schioppa überbringt die Glückwünsche vom Nuntius und bespricht die Tagesereignisse.

Edith Eiswaldt, bis 13.45 Uhr, nach der Sitzung die zweite Seele von Stipberger, geisterhaftes Wesen. Ich weiß, daß Menschen sich um uns sorgen. Sie hat heute einen Feiertag und ein Recht, von mir das zu hören. Ich habe auch einen Feiertag: Vor Jahren ist an diesem Tag meine Mutter begraben worden.

Frau Hofrat Ammann wollte mich mütterlich ermahnen, aber Mütter sterben nicht. Kinder von großen Müttern können nicht sündigen. Christus in uns vernichten, aber dann muß er auch wieder auferstehen, darum, der Seelsorge wegen, wieder zu ihm gegangen. Sie müssen so reden. Respondeo: Ich vertraue, daß keine schlechte Absicht. Wenn aber Anstoß, dann aus Christusliebe. Das andere ist Philosophie des Herzens (vom Wiederauferstehen Christi = Wieder anknüpfen). Die Mystik ist nicht, die Seele in einer Menschenseele aufgehen lassen, sondern in Gott (Christus lebt in mir). So begründen andere die Auflösung ihrer Ehe. Es ist besser, vollständig zu beichten als ein paar Mal im Jahre. Vortrag darf sie hören.

Frau Dr. Liebel nur fünf Minuten vor der Sitzung zum Gratulieren.

Ich besuche Buczkowska , um von ihr Papier zu holen für Auto, über Zettler.

Rektor Brunner, Pasing, Vorsitzender der Volkspartei - ob für das Gymnasium eine besondere Firmung - geht nicht, weil Weihbischof krank und heuer gar nicht, weil sich die Arbeiter aufhalten würden über solche Neuerungen. Er scheint ganz in katholischen Kreisen zu verkehren.

Auf der Straße rasen die Autos mit roten Fahnen, offenbar um Geiseln zu sammeln. Wenigstens erzählt Buczkowska , wie gestern gesucht wurden. Kaum zwei Tage zu Hause, schon wieder unruhig, so oft ein Auto unter dem Fenster hält oder man laute Stimmen auf der Straße hört.

Abends, 19.30 Uhr, Vortrag von Hartig über Steingaden und Wies : Prämonstratenser bei strömendem Regen.