Tagebucheintrag vom 9. Januar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003,
Seite 37
9.
Januar,
7.30 Uhr,
Donnerstag
zu Fuß nach
Corpus Christi-Kapelle.
Keine Ansprache,
weil von den schlaflosen Nächten und
den ewigen Aufregungen zu sehr ergriffen.
10.30 Uhr aus der Kapelle gerufen. Mit dem Rat Gergerbodt
da:
Ich bringe eine traurige Nachricht:
Der
Polizeireferent
von
[ ... ]
sei bei ihm gewesen,
er wisse,
daß heute Mittag oder heute Nacht
oder Morgen der gleiche
Bürgerkrieg
wie in Berlin komme und daß dabei Stürme auf Erzbischofwohnung und auf die Klöster abgesehen seien. Er habe gefragt,
ob er eine Wache
habe – Nein. Ich soll unbedingt fort. Mit dem
Diener
betrachtet er die Fenster im Stillen.
Ich erkläre ihm,
daß ich nicht weggehen will,
weil sie nicht das
Haus,
sondern mich suchen,
also doch wiederkommen
und weil doch einmal Blut fließen muß,
bevor wieder Ordnung kommt. Durch
Fräulein
Bettinger
lasse ich in die
Klöster
sagen.
Generalvikar
kommt:
Weihbischof
soll man fort tun und die Herren
möglichst
auswärts schlafen. Werden seit Tagen früh
4.00 Uhr
bewacht.
Sie fragt wegen ihres
Geldes, wir geben es ihr zurück.
Um
12.00 Uhr telefoniert:
Die Sache sei wesentlich günstiger, es war nur ein Zusammenfassen der Gerüchte, weil
er
glaubte,
ich erfahre nichts.
Gräfin Mikes
:
Will lange
politisch,
ich stehe aber auf, ich erwartete
sehr Schlimmes und müsse deshalb mich vorbereiten.
Studenten von Frankfurt Staufia, Vorort von Kartellverband katholisch deutscher Studentenvereine, zur Beerdigung von Hertling
hier.
Herr
Fegers
,
Pfeiffer
,
studiosus philosophiae
,
Pfeil
,
studiosus theologiae
.
Ich spreche sehr ernst,
daß wir hier am
Vorabend schwerer Ereignisse stünden, vor dem Bürgerkrieg. Ich selber wollte keinen Schutz,
weil kein Blut fließen dürfe.
Sie meinten,
ob nicht soviel Studenten – nein,
will ich nicht. Zum
Abschied war ich sehr ergriffen: Nun,
wenn die Alten nicht mehr da sind, dann treten die Jungen an. „Das Gelöbnis legen wir Ihnen zu Füßen“.
Vom Generalvikar
nehme ich Abschied wie auf ewig,
mit
Pax
und tief erschüttert. Sterben ist leicht,
aber wochenlang zwischen dem Tode und sich nur einen Schritt
haben,
das ist entsetzlich.
Mittags wieder Briefe aufgeräumt, weil der Warner früh sagte, ich soll fortschaffen, was immer möglich.
Beerdigung von Hertling
:
Abends 16.30 Uhr,
also
spät.
Erst
im
Zweifel,
ob wegen des sicher erwarteten
Spartakus-Putsches
überhaupt die Teilnahme möglich sei. Die Hinausfahrt im Wagen war auch nicht gemütlich, heimwärts Stück zu Fuß.
Am Grab
deshalb so ergriffen,
weil wir
alle fühlen, wir stehen am
Grabe
Deutschlands zugleich. Die Reden waren sehr gut:
Grauert
sprach vom
Tode
Görres'
,
und wie
auch damals
Bischof Haneberg
sagte: Zur Zeit versteht in Deutschland kaum einer den anderen.
Beyerle
:
Wie
Augustinus
damals,
als
die alte Welt zusammenbrach, die Idee vom Gottesstaat entwickelte und
Hertling
für den christlichen Staatsgedanken gearbeitet habe. Das Unglück seines Volkes, diese
Zeit der „Schmach und
Schande“
hat ihm das Herz gebrochen. Der Mond stand bereits am Himmel und die Dämmerung
düsterte
über der
Versammlung – es war eine geschichtliche Stunde. Am
Thore
stand die
republikanische
Sicherheitswache.
Ein Glück noch, daß man im Hause tapfer und ruhig ist. Am Donnerstag glaubte ich, es muss alles aus dem Hause, weil der Sturm für die Nacht ganz sicher angesagt war, also bereits verteilt: Zwei zu Bettinger
,
Schwester zu
Stann
.
Sekretär
erklärte,
er wolle in jedem Fall
im Haus bleiben.
Hubert
ist sehr ruhig und wird sie fragen: Warum sie nicht bei Tag kommen.
Sekretär
war ohne mein Wissen und gegen meinen Willen auf dem
Kriegsministerium:
Der
Leutnant
dort sehr kühl, er habe keine Wache. Freilich sagte er auch unvorsichtig, ich wolle mit der Regierung nicht in Verbindung treten
und am besten würde man
Sontheimer
verhaften und die anderen - das ist unvorsichtig geredet.
10.30 Uhr aus der Kapelle gerufen. Mit dem Rat Gergerbodt







Gräfin Mikes

Studenten von Frankfurt Staufia, Vorort von Kartellverband katholisch deutscher Studentenvereine, zur Beerdigung von Hertling






Vom Generalvikar


Mittags wieder Briefe aufgeräumt, weil der Warner früh sagte, ich soll fortschaffen, was immer möglich.
Beerdigung von Hertling







Ein Glück noch, daß man im Hause tapfer und ruhig ist. Am Donnerstag glaubte ich, es muss alles aus dem Hause, weil der Sturm für die Nacht ganz sicher angesagt war, also bereits verteilt: Zwei zu Bettinger
Entweder ist Anna Bettinger
oder Maria Anna Bettinger
gemeint.







