Tagebucheintrag vom 3. Januar 1919Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 34

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3. Januar 1919. Exzellenz Dandl über Gleichgültiges: Daß er schnell ausgezogen sei und jetzt weit draußen wohne.

Präfekt Schmidt, Freising, der nach zwölf Jahren schöner Tätigkeit, auch als Musiklehrer in die Gesellschaft Jesu eintritt, noch in diesem Monat abreist.

Gertrude Bosslet, sehr abgearbeitet mit schwarzen Ringen um die Augen. Will die Großdeutsche Jugend zu einer Zeitschrift ausbauen – das ist sehr teuer (hier der Leuchtturm), ist wegen dieses politischen Teils nicht zu raten und erfordert eine Hauptkraft, nicht nur nebenbei – einstweilen zwanglose Folge. Will zum Kinderarzt ganz übersiedeln und vormittags dort mitarbeiten – Ja.

15.00 - 17.30 Uhr, mit Sekretär Dr. Liebel besucht, im Ludwig-Ferdinand-Heim.

Auf dem Weg am Obelisk, eine alte Frau zur anderen: Die haben nicht mehr verdient, als daß man sie auf einen Haufen stellt und zusammenschießt. Robert noch da.

Abends 22.00 Uhr kommt Hubert, ein Alumnus Rhumo kommt aus der bolschewistischen Versammlung, wo der Antrag gestellt worden sei, eine Demonstration zu mir zu machen und eine Erklärung zu fordern, wegen der Benützung der Glocke für die Bürgerwehr. Der Leiter der Versammlung habe abgeraten. Ich bleibe gerüstet bis 23.15 Uhr auf, sehr unruhig auf der Straße, weil diesen Abend sehr viele Wahlversammlungen, auch alles schaut nach der Parlamentswache, sonst aber vergeht die Nacht ruhig.

„Bauer“ Böhm, Neuses am Berg bei Dettelbach, schreibt sehr gewandt „von Mensch zu Mensch“. 4. I. 19: Die Religion ist gar nicht in Gefahr. Wir sind nur mit Willkür beherrscht worden. Viele Gemeinden wurden von den Geistlichen geplagt und geschunden. Wir wurden gar nicht zu den Menschen gezählt! Ein Ludwig hat sich ein Vermögen von 750 Millionen zusammengemacht. Wo ist ein Kilian, der den Großen sagt, es ist dir nicht erlaubt. Hätte sich der Priester nicht auf den Nationalitätenstandpunkt gestellt, wäre der Krieg unmöglich gewesen. Der Hirtenbrief der Bischöfe kann zur Folge haben, daß die Feinde ins Land kommen. Das bißchen Schulaufsicht – scheint ein Lehrer zu sein!!

Für Neujahr 1919: Ein 19 erzählt von irdischem Leid – ein 19 erzählt von himmlischer Güte – so will ich nicht zagen, im Sturm der Zeit, will hoffen, daß Gott uns behüte.