Tagebucheintrag vom 24. Dezember 1918Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 29-30

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24. Dezember. Vormittags beim Zahnarzt: Die Geschwulst ist zurückgegangen, aber die Gefahr der Wiederkehr besteht weiter.

Drei Mittelschüler, darunter Hofmann, Sohn des Lehrerinnenbildungsanstalt-Direktors: Ob nicht eine Aufklärung an die Mittelschüler, daß es kein Zwang sei, wenn man zu den Sakramenten gehen müsse.

Nach der Vesper auf die Nuntiatur: Schreiben abgegeben und den Dienern
Wahrscheinlich sind hier die Diener der Apostolischen Nuntiatur München gemeint: Alois Handlmaier und Nikolaus Michle.
fünf und zehn M.

Für die Mette herrscht große Aufregung in der Stadt und die wildesten Gerüchte. Für die Hofkirche Sankt Cajetan hat Stiftspropst Hecher schon vor drei Wochen abgesagt. Aus Ordinariat kommt auch von auswärts Bittgesuch, ausfallen zu lassen.

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Am Heiligen Abend noch wird telefoniert von einer Baronin (Name nicht verständlich): Auf der Bahn hätten Soldaten offen gesagt, es würden Bomben geworfen. Schwester Willibrord und Bonosa bleiben aus reiner Angst zu Hause. Nach der Christbescherung macht Herr Sekretär noch einmal aufmerksam, es könnte einer Handgranaten werfen. Respondeo: Dann würden vielleicht doch manchem die Augen in dieser Nacht aufgehen, zu sehen, wohin wir treiben. Die Mette geben wir nicht so leichthin auf – wir müssen es auf Störungen ankommen lassen. Und selber bereit sein, „dann werden wir halt Märtyrer, liegt auch nichts dran“.
Sogar das Tagblatt wird am 24. Dezember ängstlich :

Die Sänger nahmen deshalb das kürzeste Choral Gloria und sangen im Galopp, um wieder hinaus zu kommen. Sonst sehr stark besucht und erbauliche Ruhe. Viele Protestanten, die kein Kreuz machen beim Segen, aber sich bei der Wandlung sehr erbaulich halten. Monsignore Jörg und Graßmann
Geplante Putschversuche am Heiligen Abend. Bolschewistische Elemente sollen für den heutigen Abend Putschversuche planen, insbesondere soll es auch auf eine Störung der Christmetten abgesehen sein. Die regierungstreuen Truppen werden deshalb zur Beruhigung der Bürgerschaft in militärischer Bereitschaft verharren. In verschiedenen Pfarrkirchen sind die mitternächtlichen Gottesdienste abgesagt worden. Die Truppen werden jede Störung aufs energischste, wenn nötig unter Anwendung von Waffengewalt verhindern.
bleiben dem Dienst fern. An den Türen standen Soldaten mit geladenem Gewehr und in den Seitengassen Patrouillen. Nach dem ersten Feiertag kommt 21.00 Uhr ein Mann an die Pforte: „Der ganze Dom ist voll von Matrosen, das wird etwas geben“.