Tagebucheintrag vom 15. November 1918Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 10003, Seite 14

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Freitag, 15. November: Seit acht Tagen Republik, und der Mond macht das alte Gesicht auf diese meineidige Gesellschaft herunter. So oft ich nachts aufwache, blitzen andere Konsequenzen auf und auf der Ordinariats-Sitzung eröffnet sich eine traurige Aussicht nach der anderen. Nun rührt sich endlich etwas, Heim gründet seine Bayerische Volkspartei, Arco war in der Versammlung in Aibling und kommt mit kindlichem Vertrauen zu mir: Auf der Theresienwiese ein einfacher Feldaltar mit einem großen Kreuz, Nachmittag, 15.00 Uhr, Requiem für die Gefallenen, dann ein schweigsamer Zug in den Dom! Respondeo: Unmöglich, versparen wir uns zum Requiem für die Königin.

Wieder ein langes Rundschreiben an die Bischöfe mit drei Beilagen. Heute hat auch der König von Sachsen die Treueeide entbunden, aber nicht die Soldaten. Domkapitular Eberle kommt im Auftrag des Bischofs von Augsburg wegen verschiedener Gewissensfragen: Ob der Bischof vom Eid entbunden, ob die Geistlichen verpflichtet werden...

Die Narren jubeln! Beilhack schreibt, unter den neuen Verhältnissen könne er eher sein Recht finden gegen das Ordinariat, eine Frau Schmitter kommt an die Pforte, die ganze Revolution, weil man an ihre Erscheinungen nicht glaube, Lochbronner schreibt, der König sei abgesetzt worden, weil er das Amortisationsgesetz nicht durchgeführt habe. Während die Lose des Volkes rollen, fängt ein Pfarrer einen Streit an, ob das Kind Rosa oder Martina heißen soll.

Zuschrift: Der bayerische Episkopat soll einen Protest erheben gegen das Unrecht, das dem katholischen König zugefügt wurde. Wenn Protest wegen eines Theaterskandals, dann auch hier. Sonst Feigheit, „einer im Namen vieler“, der nicht den Mut hat, seinen Namen zu geben.

An Hindenburg kamen zu Weihnachten Briefe, sie sollen nicht zu viel Heilig Abend und Sylvester feiern, sonst könnten die Franzosen sie überfallen – so schreibt eine Krankenpflegerin Kiechle. Es wäre möglich, daß die Judenregierung sich mit den Gütern der Kirche bereichern wollte. Besonders die Schatzkammer von Altötting sollte man veräußern und das Geld einstweilen dem Heiligen Vater geben. Oder damit ein Waisenhaus einrichten. 14.11.1918

Die königlichen Hoflieferanten haben ihre Titel überklebt!