Tagebucheintrag vom 5. Mai 1945Parallelansicht ⇨
Nachlass Faulhaber 09265, Seite 55-56

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Samstag, 5.5.45. Patrona Bavariae nicht in Dreifaltigkeitskirche, Pontifikalmesse wie geplant, sondern im Hause.

Dr. Dreimärkl - ohne Spritze. Viel über die Lage. Keine Möglichkeit, in sein Krankenhaus Mittenwald zu kommen.

Thalhamer, Irschl und Kienitz berichten über die Besprechung im Rathaus mit den Mittelspersonen. Ausweis für die Geistlichen, Entlassen der Schutzbeamten in Dachau, ein Gebäude fürs Ordinariat und Heimatmission und Domherrenwohnungen.

Pater Theodor, Nymphenburg: Ist ihnen gut gegangen. Die Kämpfe in nächster Nähe, will nicht Militärlazarett werden.

„Oberbürgermeister" Dr. Stadelmayer, Würzburg, seit ein paar Stunden nicht mehr Bürgermeister, bleibt aber in der Verwaltung hier. Die Verwüstungen in Würzburg. Was der Bischof macht. Viele gemeinsame Bekannte. Tritt hier zurück, weil Scharnagl die Verhältnisse besser kennt. Sieht die Lage sehr ernst. Die Amerikaner arbeiten sehr langsam und bürokratisch. Die Hungersnot vor der Türe. In Wolfratshausen Plünderungen von Haus zu Haus. Die Waffen, die abgeliefert werden sollen, nehmen die östlichen Elemente ab.

Pater Dagobert [      ], Dompfarrer und die drei von der Rathaussitzung.

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Samstag, 5.5.45 Fortsetzung. Studiosus medicinae Fischer möchte Verbindung erhalten, um Dr. Fischer und Max Borst, die niemals Nationalsozialisten waren, hierher zu bringen. Thalhammer nimmt ihn 16.00 Uhr mit in die Sitzung im Rathaus und er findet dort Verbindung.

Ausgang: Die Leute sprechen mich auf der Straße an, wollen mich zum Dom begleiten, der Samstag geschlossen ist, aber drinnen werden Marienlieder gesungen zum Tag Patrona Bavariae. Auf der Neuhauser Straße lange Reihe von Kriegswagen verschiedenster Art, auch Geschütze, rückwärts Train mit Negern, die zu den Wagen herausgrinsen. Ich begegne, die unsagbar traurig und verzweifelt dreinschauen. Mutterhaus und die Umgebung weit zerstört sehe ich zum ersten Mal, früher konnte man nicht ausgehen wegen Alarmgefahr. Das wichtigste wäre ein Dach über dem Haus. Wenig Schwestern. Meine „Wächter" können nach Berg am Laim und Unterhaching kommen.

Pfarrer Mock und Bankbeamter Leizinger: In Giesing wird furchtbar geplündert. Ich habe bereits vorgesprochen in dieser Sache. Wenn freilich die Geschäfte Lebensmittel und Kleider in das Schaufenster heute noch legen!

Keine Sirene mehr. Das Rauschen der Flugmotoren hat seinen Schrecken verloren.

Es gibt eine deutsche Freiheitsbewegung, besonders von Katholiken getragen, die in Freising kämpfte und in München Giesler gefangen nehmen wollte, dabei aber wohl verraten, fünfzig Mann verloren.

Die Frauen haben den gestohlenen Wein in Putzkübeln heim.

Frau Schwarzwälder auf der Straße sehr dankbar angesprochen. Sie ist in großer Sorge, zwei Nächte nicht zur [ ... ], weil Plünderungen fürchtend. Aber bisher ist es gut gegangen.

Amerikanische Soldaten lesen im Vorbeigehen Steine auf und werfen die letzten Fenster ein.