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Tagebucheintrag vom 1. Januar 1935⇦ Einzelansicht
Nachlass Faulhaber 10016, Seite 30-31

Neujahr 1935

Eripe me de inimicis meis, Domine, Et de viris sanguinum salva me .

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1. Januar, 7.00 Uhr im Dom - auf dem Weg wartet der Straßenkehrer und kommt frisch rasiert mit dem Kehrer entgegen. Im Dom viele Kommunikanten.

Polnischer Minister Lisiewicz – heuer mit mehr Zuversicht als voriges Jahr. Man spricht nicht mehr von Krieg. Die polnische Mutter doppelt so viele Kinder als die deutsche – aber die Ernährung? Afrika nicht zu cultivieren, Frankreich läßt keine Polen mehr hinein. Die Auslandspolen haben alle fünf Jahre eine Zusammenkunft im Mutterland.

Graf Soden – sehr pessimistisch. Betrunkene hätten von den Rollkommandos gesprochen. Versichert mit feuchten Augen seine Treue als Katholik.

Generalconsul Velics – redet nicht mehr so viel. Ob es nach dem 13. Januar gegen die Kirche gehe? Wurde in Kalksburg erzogen; weiß viel von den Verhandlungen über Konkordat – es gehe viel verloren. Freut sich über Sankt Blasien, kommt demnächst als Gesandter in die Türkei, sein erster Posten.

Oesterreichischer Generalconsul: Wird viel gegen Oesterreich gesprochen, aber wenigstens die Rundfunkbeiträge nicht mehr. Die dreihundert abgefallenen Legionäre in Aibling. Es kommen immer wieder herüber, frühere Schutzbündler, haben Staatszugehörigkeit verloren, das macht die Versorgung so schwer. Daß wir nicht über die Grenze können, nach Salzburg jetzt Waitz besuchen. Moralisch sind die Legionäre in Dachau nicht gut.

Amerikanischer Generalconsul Mr. Hathaway und Begleiter über Amerika. Hat meine Predigten hier auf der Weltkonferenz der Protestanten einem Herrn gegeben, der ihm einen Brief schreibt. Verhältnis zwischen Staat und Kirche in Amerika und bei uns?

16.00 - 17.05 Uhr Professor Grisar Rom. War dort beim Gesandten eingeladen, habe ihnen aber über Saar die Wahrheit gesagt. Ich bringe zur Sprache 1) die Stimmen der Zeit haben ausgezeichnete Artikel gebracht über die Lage, also aus der Reserve heraus, P. General möge nicht abwinken, es ist notwendig – darf er sagen. 2) St Blasien kann vorbildlich werden für uns. Das gleiche für Seminarien beschlossen. Davon ist er nicht erbaut. Darüber viele Briefe nach Rom gegangen, überhaupt darüber gesprochen, daß wir für 100% Jugend geweiht, nicht bloß für 20%. Eventuell allgemeine Wehrpflicht. 3) Kundgebung zur Saar. Auch davon nicht erbaut. Aber doch Einheit. Die früheren Erläße der Bischöfe nennt er „unglücklich.“ Die Broschüre von Linhard halte ihn zurück – an der Bahn sagt er dem Sekretär, sie werde doch erscheinen.

17.30 Uhr Schluß des vierzigstündigen Gebets im Dom. Schwach besucht.
S. 30S. 31reset-btnzoom-in-btnzoom-out-btn
Digitalisat Faulhaber-Edition
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