Tagebucheintrag vom 13. Juli 1933⇦ Einzelansicht
Nachlass Faulhaber 10015, Seite 74-77

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Donnerstag, 13. Juli 33, wieder auf dem Zimmer celebriert, solange Bischof Müller hier ist.

In der Bibliothek heute Empfang, weil beim Ordnen des Archivs.

Pater Hugo Lang: Burtscher, 4 000 M., hätte zwar den Prozeß gewonnen, aber jetzt schwer zu zahlen, ob nicht Zins geschenkt? Ja. Vielleicht auch noch tausend dazu. Will mit Grassl reden. Aus der Schweiz ein Theologe – nicht für hier, eher für Schweden.

Monsignore Stoeckle: Zuerst über die hiesigen Verhältnisse. Hatte auch Greuel gehört, ich sei verhaftet worden. Priester in Schutzhaft. Vereinshäuser weggenommen. Über Concordat im Allgemeinen. Er weiß nicht viel davon, meint nur, es werde überstürzt. Über seine Verhältnisse in Rom. Ehle krank. Er werde die sechzigtausend

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vom Vatican nicht verlangen, es bleibe ein unangenehmer Eindruck zurück. Mit den Pilgern viel Arbeit. – An Gräfin Luxburg erinnert er sich nicht. Kommen viele mit Empfehlungen von Bischöfen, und werden grob, wenn nicht innerhalb zwei Tagen empfangen. Er bleibt sehr lange und redet langsam.

Zwei Amerikaner, Rabbi Ferdinand Isserman und ein anderer, Name nicht verstanden, kommen in die Bibliothek. (Bei Secretär waren sie von Maria nicht angemeldet, Bruder fährt Bischof Müller): Eingeführt, bringen Grüße von Erzbischof Glennon in St. Louis, mit dem sie in einem Hilfswerk zusammen seien. Wie die Lage hier sei? Es wird ruhig. Wie für die Katholiken? Die letzte Woche hat uns Sorge gemacht (sie wußten, daß „Kongreß“ gestört wurde, meinten den Gesellenverein), aber jetzt durch das Concordat wird es ruhig werden. Das Wort führt der erste, der verständlich deutsch spricht: Es seien Juden durch Boykott geschädigt worden. – Ich weiche aus: 1919 hätte ich im Dom gepredigt gegen die Judenpogrome, die katholische Kirche hat öfter die Juden in Schutz genommen, confer Ghetto, nicht gegen sie, sondern für sie. Sie waren in Berlin und meinen, es würden bald hunderttausend Juden in Hungersnot sein. Ich: Viele sind in die Schweiz. Er: Ein paar tausend in Frankreich, ein paar tausend da und dort, aber wohin? Nach Palästina so viele nicht möglich. Die Lage in Amerika sei sehr schlecht, sehr schlecht. Wer früher fünfzig Dollar verdiente, und jetzt dreißig, kann sich zwar das Gleiche kaufen. Aber 15 Millionen Arbeitslose! Der andere Herr, der wenig spricht (war wohl der Rabbiner Issermann): Ob ein Krieg komme? Ich: Die den letzten Krieg miterlebt haben, kennen die Schrecken eines neuen Krieges. Aber die Jugend weiß nichts davon. Er: Es wird kaum eine Front geben, Luftschiffe mit Bomben ohne Bemannung. Ich: Warum Roosevelt nicht mehr getan auf der Weltwirtschaftskonferenz London? Darauf keine rechte Erklärung. Ich habe natürlich jede Antwort abgewogen, langsam gesprochen, weil ich mit der Weitergabe rechnete. Am Anfang und am Schluß dankten sie, daß ich früher die Juden in Schutz genommen – we appreciate that, das schien ihr Hauptzweck zu sein.

Neupriester Wagner von Germanicum hatte Sonntag hier feierliche Primiz. Grüße von Pater Noppel.

Dr. Weinzierl: War in Rom eine Zeit lang, von Mailand zurückgeflogen, gestern in Planegg gesehen.

Nachmittags wieder in der Bibliothek, Maria Fitz: Mutter, der zweite Aderlass, reist nach Füssen. Elmar hätte von Weihbischof keine Zusage bekommen. War in Altötting, Pater Coelestin Haussuchung – Sie suchten Briefe von mir „nach dem 23.“? Was die Lehrerinnen in der HJ tun sollten – ohne Antwort.

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Bischof Müller reist 9.45 Uhr ab Berlin. Vorher war er im Clemens-Maria-Heim, kam spät zurück. Secretär begleitet ihn. 1 000 M.

Weihbischof Schauer kommt von Rom zurück. Zwei Briefe. Im Hofe sprechen wir übers Concordat. Er hat ohne Auftrag die Frage des Eides vor dem Statthalter aufgerollt; und über die Vereine, was ich ihm gesagt.