Tagebucheintrag vom 2. März 1918⇦ Einzelansicht
Nachlass Faulhaber 10001, Seite 89-90

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2. März: Alfons Freiherr von Eichthal, Familiensenior, von den Protestanten und Freimaurern und Landpfarrern verfolgt und gemartert, läßt vorher ein Vaterunser beten, geht seit dreißig Jahren jede Woche zur heiligen Kommunion, zieht hinten seinen Drittordensgürtel und vorne sein Skapulier heraus, rollt die Augen, wurde von Lindau vom Bezirksamt versetzt nach Vilshofen, mit dem Bischof von Passau „verehrungsvoll“ bekannt, die Pfarrer und Lehrer wollten mit ihm nicht mehr spielen, weil er die Schellen Aß nicht drein tat, ich soll dem König eine Denkschrift vorlegen und ein Gesuch, daß er doppelten Anteil bekommt als Senior, „alles zur größeren Ehre Gottes und meiner Eltern“, er hat den Beruf die Familien weltlich zu vertreten, hat gelesen, daß Gott das, was nichts ist, erwählt, um das, was ist, zu schanden zu machen
Vgl. 1. Korintherbrief, 1,28
, wollte einmal Priester werden, dann Opernsänger, weil er eine phänomenale Stimme habe, überall wie ein Heiliger verehrt wurde.

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Ich habe sehr allgemein geredet: Nur gutes Gewissen zu haben müsse uns genug sein, und manchmal sehe eine Zukunft dunkel aus und es wird doch hell.

Dr. Häußling, Lambrecht: Hat hier Theologie belegt, ist jetzt sicher, nachdem er vor Weihnachten ganz menschenscheu geworden war und inzwischen daheim in der Fabrik war. Ordenspriester? Nein. Speyer oder München? Seine Wahl, hier wohl aufgenommen, er will hier eintreten. Will später etwas für Feldseelsorge bringen. Soll sich einen Führer wählen. Pater Lippert oder Duhr.

Professor Roubaud, Franzose mit mehreren Orden, hat für den russischen Kaiser Schlachtenbilder gemalt (aber nicht mehr seit Krieg ist), will jetzt das Alte Testament im Film geben, ähnlich wie die heilige Elisabeth, aber nicht mit Schauspielern. Seine Bilder werden sehr gut gekauft hier, er sei wirtschaftlich sehr gut dran. Respondeo: Ich begrüße alles, was dem schlechten Film entgegen arbeitet, an der Volkserziehung mitarbeitet, auch an der biblischen Geschichte in würdiger Weise, aber natürlich mit dem Einzelunternehmen kann ich mich nicht verbinden lassen, auch nicht auf mich berufen lassen. Das will er nicht.

Frau Professor Selenka vom internationalen Frauenfriedensbund: Ich soll dem Heiligen Vater vorstellen, jetzt in diesem Augenblick vor der Offensive soll er noch einmal an das Gewissen der Menschheit sich wenden. Jetzt gewiß Erfolg, sie war in Amerika, kennt England, man wartet auf einen Sinnanstoß. Soll schriftlich damit zum Nuntius gehen. Etwas theatralisch, scheint nicht katholisch zu sein.

15.30 - 16.30 Prinzeß Birkenfeld zum Beichten und in Sache des Nicol. Anliegen.
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Digitalisat Faulhaber-Edition